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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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zogen sie in ein leerstehendes Schulgebäude um. Das erregte großes Aufsehen, forderte die Behörden heraus, aber auch einige Prominente als Unterstützer, an erster Stelle Ariane Mnouchkine, die Leiterin des Théâtre du Soleil aus Vincennes. Sie brachte einen Großteil der 300 »papierlosen« Einwanderer in Räumlichkeiten ihres Theaters auf dem Gelände der Cartoucherie unter, einer ehemaligen Munitionsfabrik in Vincennes. Als es dort zu einer großen Solidaritätsveranstaltung kam, wurde Stéphane Hessel fast ungewollt zum Wortführer dieser Causa.
    Bei den Verhandlungen mit der Regierung (Ministerpräsident war Alain Juppé, Innenminister Jean-Louis Debré) wurde keine globale Legalisierung der Zuwanderer gefordert, wohl aber eine rasche Prüfung jedes einzelnen Falles. Aber weder die Behörden noch die Afrikaner akzeptierten die Vermittlung ohne weiteres. Es gab Hungerstreiks und allmählich kleine Konzessionen der Behörden. Man gewährte ihnen Unterkunft in einem alten Bahnhofsgebäude neben der Gare de l’Est.
    In all diesen wichtigen Momenten trat Stéphane Hessel aktiv auf, ebenso wie seine Frau Christiane. Es gab eine neueKirchenbesetzung, die nach 50 Tagen von der Polizei beendet wurde. Sie geschah in der Église Saint-Bernard in der Goutte d’Or, einem Problemviertel im 18. Arrondissement mit hohem Migrantenanteil. Dieses Engagement brachte Hessel in die Nachrichten, in völlig anderen Zusammenhängen als bis dahin. Er hatte ein Thema der Empörung gefunden und sich – in seinem Alter – engagiert. Er hatte gezeigt, dass man trotz vieler Rückschläge nie aufgeben soll, sondern hoffnungsvoll bleiben muss, diese Devise galt auch hier. Im kalten Februar 2008 setzte sich Stéphane Hessel bei einer Großveranstaltung auf der Pariser Place de la République dafür ein, allen Obdachlosen eine Unterkunft zu vermitteln. Zugleich kritisierte er die Einwanderungspolitik des »Ministers für nationale Identität«, Nicolas Sarkozys persönlichen Freundes Brice Hortefeux.
    Bereits zuvor, im Jahr 2001, hatte sich Hessel in die aktive Politik eingemischt, als er öffentlich den Wahlkampf des Sozialisten Bertrand Delanoë um das Amt des Pariser Bürgermeisters unterstützte, das dieser schließlich auch erringen konnte. Ebenfalls 2001 wurde der ewig junge Exdiplomat in das Kuratorium des Deutsch-Französischen Jugendwerks berufen, dessen Gründung er 1963 miterlebt hatte, aber nicht weiterverfolgen konnte, da er meist anderswo in der Welt unterwegs war, auf dem Balkan, in Afrika, in den baltischen Staaten, allerdings auch immer wieder in Deutschland, um die deutsche Version seiner Erinnerungen vorzustellen.
     
    Im Jahr 2002 publizierte Hessel einen Band mit dem schönen Titel:
Dix pas dans le nouveau siècle
. Das war ein resolutes Hinwenden zur Zukunft, zu Fragen der Entwicklung. Der Zeuge des vergangenen Jahrhunderts erschloss sich die neue Zeit, nahm Stellung zu den aktuellen Herausforderungen. Dazu beigetragen hatte sein Erlebnis in New York im September 2001: Er hielt sich in dieser für sein Lebenso wichtigen Metropole auf, als die schrecklichen Anschläge auf das World Trade Center stattfanden. Nach diesem Menetekel eines Rückschritts und der Wiederkehr bewaffneter Konflikte war klar, dass es eine politische Wende geben musste. Auf die wollte Hessel einwirken.
    Er schildert einleitend, in Tagebuchform, einige Momente aus seinem Leben, führte vor allem die Aktivitäten und Berichte auf, die mit Fragen der Entwicklungspolitik, der Dritten Welt, der Nord-Süd-Beziehungen, aber auch der Ökologie zu tun hatten, immer in globaler Perspektive. Und diese Perspektive vertrat er fortan resolut: Die Dinge global sehen im Hinblick auf eine künftige Weltregierung. Die »Zehn Schritte in die neue Epoche« hinein meinten zehn Gespräche mit Spezialisten in Fragen der Entwicklung und der internationalen Zusammenarbeit, die den Hauptteil des Buches ausmachen. Mit der Zusammenstellung hatte er bereits 1999 begonnen.
    Ebenfalls 2002 beteiligte er sich an der Gründung eines internationalen Rates der Weisen, einer Art Kolloquium von Politikern und Intellektuellen, die ihren Einfluss bei der UNO geltend machen sollten, um die Verabschiedung einer Charta zu bewirken, welche die wechselseitige Abhängigkeit der Staaten voneinander hervorhebt. Diesem informellen Gremium gehörten Michel Rocard, Edgar Morin, Mary Robinson, Richard von Weizsäcker, Jürgen Habermas an. Hessel suchte also nach einem Forum und einer Form

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