Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
auf sich zu.
»Es tut mir sehr leid«, sagte er. »Mein Boss will, dass ich sofort zurückkomme. Aber hör mal …«
Er versuchte, ihr in die Augen zu sehen, doch sie hatte den Blick abgewandt. In dem Moment nahm er zum ersten Mal den Geruch ihrer Haut wahr, leicht nach Ziege, wie ein milder Ziegenkäse, erdig und cremig. Doch bei diesem Geruch ging es nicht um Essen.
»Grazie per la bella serata« , sagte Mirella und löste sich mühelos von ihm.
»Darf ich dich wieder anrufen?«, hörte Tom sich sagen.
Sie lächelte vage und war im nächsten Augenblick verschwunden.
45
Jake war von einem Anruf von Madrona geweckt worden, die wissen wollte, ob er gut angekommen war. Sie habe sich Sorgen um ihn gemacht, sagte sie. Madrona machte sich wegen allem Sorgen - schwanger zu werden, nicht schwanger zu werden, globale Erwärmung, Vogelgrippe, alles, was man sich nur denken konnte. Das gehörte zu den vielen Dingen, die Jake an ihr niedlich fand, obwohl er manchmal irgendwie das Gefühl hatte, wie bei einem Luftzug, den man im Nacken spürt, dass das irgendwann ganz schön nervig werden könnte.
Er beruhigte sie und war dann mit einem Sprung aus dem Bett. Auf der Uhr stand eine völlig durchgeknallte Zeit, doch Jake war bereits klar geworden, dass man diesen Trip wie den Schauplatz eines Spiels behandeln musste, mit dem man nicht vertraut war. Er wusste, dass er noch eine Menge Erfahrungspunkte sammeln musste, bevor er voll auf dem Laufenden war, aber ein wichtiger Faktor war, dass die Zeit auf den Uhren hier Spielzeit war. Keine Echtzeit, die, wie Madrona gesagt hatte, jetzt irgendwie Mittag war, aber die richtige Zeit im Spiel. Das galt auch für alles andere. Dieses Hotel, das Martin für ihn gebucht hatte, wäre in Reno nicht mal als zweitklassiges Kasino durchgegangen, aber im Spielszenario war es große Klasse. Das war auch gut so. Jake konnte es mit den Besten aufnehmen.
Er kramte seinen Laptop hervor, ging online und schlüpfte mühelos in verschiedene Rollen, richtete Schaden an, rettete die Welt, wurde mehrmals getötet. Dann sah er sich Madronas Blog an - jede Menge Gejammer darüber, dass sie diesmal eine echt starke Periode hatte -, ließ einen Chatroom in Flammen aufgehen, surfte über einige Pornoseiten, bis er eine fand, die ihn anmachte, holte sich einen runter, duschte und zog sich an. Gegen zweiundzwanzig Uhr Spielzeit fuhr er mit dem Aufzug mit Marmorboden hinunter in die Eingangshalle und fühlte sich völlig entspannt. Martin Nguyen war in der Bar und nippte an einem Glas mit etwas, das wie Eistee aussah, aber vermutlich keiner war. Jake war versucht, eine bissige Bemerkung darüber zu machen, dass er offensichtlich etwas brauchte, um seinen nervösen Magen zu beruhigen. Er selbst trank und rauchte nicht. Verdammt, er rauchte noch nicht mal.
»Mann«, sagte Jake.
Martin grunzte. Er sah immer noch nicht allzu frisch aus, doch Jake musste bewundern, wie er, als ihm im Auto bei diesen Kurven schlecht geworden war, das Erbrochene im Mund behalten und dann lange genug wieder heruntergeschluckt hatte, um dem Fahrer zu sagen, er möchte am Straßenrand anhalten.
»Wo krieg ich’ne Speisekarte?«
»Die Küche ist geschlossen.«
»Du machst wohl Witze.«
»Dieses Hotel wird wie ein Tante-Emma-Laden geführt. Abendessen gibt’s von sieben bis halb zehn, danach könnt ihr uns alle mal bis zum Frühstück.«
»Verdammt. Ich könnte jetzt echt etwas Gänseleberpastete mit einem Erdnussbutter-Gelee-Sandwich vertragen.«
Martin fasste sich schnell an den Mund.
»Ich war vor zwei Tagen zur Eröffnung von diesem neuen Restaurant in Belltown eingeladen«, fuhr Jake fort. »Das ist deren Spezialität. Scharf angebratene Leberpastete mit Erdnussbutter und Gelee. Geile Kombi. Wie ist das Essen hier so?«
»Irgendwie italienisch angehaucht«, antwortete Martin mit äußerst angestrengter Stimme. »Ich lasse Tom denen sagen, sie sollen dir ein Sandwich oder so was machen, sobald der kleine Scheißkerl auftaucht.«
»Tom?«
»Der Sohn von Pete Newman. Den hab ich als meinen Dolmetscher engagiert. Er behauptet, er wär nur Zigaretten kaufen gegangen, aber ich hab vorhin gehört, wie er am Telefon irgendeine Tussi angemacht hat. Ich werd ihn feuern, sobald wir wissen, was bei dieser Grabstätte Sache ist.«
Er gab dem Kellner ein Zeichen, ihm nachzuschenken. Dann bemerkte er Jakes missbilligenden Blick.
»Sollte ich nicht, was? Yeah, da hast du vermutlich Recht. Aber was wir diese Nacht vorhaben, sollte
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