Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
Vom Netzwerk:
Weltabgeklärtheit. »Aber was machst du? Hast du einen Job?«
    Mirella antwortete mit einem leichten, lässigen Ablassen von Luft und einem Verdrehen ihrer wunderbaren Augen, was beides eine perfekte Mischung aus Widerwillen, Verachtung und fatalistischer Resignation zum Ausdruck brachte.
    »Einen Bürojob bei der Provinzbehörde. Er ist sehr sicher, sehr langweilig, und ich weiß ganz genau, wie viel ich verdienen werde, wenn ich in Rente gehe.«
    Das Essen wurde gebracht.
    »Und was machst du so?«, fragte Mirella, nachdem sie zwei Stücke Pizza mit bemerkenswerter Gier und Konzentration hinuntergeschlungen hatte.
    »Ich bin Koch. Ausgebildet, qualifiziert und mit guten Zeugnissen. Ich habe in einigen berühmten Restaurants in den Vereinigten Staaten gearbeitet, und jetzt habe ich vor, hierherzuziehen und ein eigenes Restaurant aufzumachen. Schließlich sind hier meine Wurzeln.«
    »Das sagtest du bereits. Wie lautet dein Familienname?«
    Tom zögerte die Antwort hinaus, indem er einen großen Schluck Bier trank. Wenn er ihr die Wahrheit sagte, würde sie sofort die Verbindung zu seinem ermordeten Vater ziehen, der ihm in der Vergangenheit genug Schaden zugefügt hatte. Tom wollte nicht, dass er diese Beziehung schon in den Anfängen von jenseits des Grabes abwürgte.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte er. »Die Familie meines Vaters kam zweifellos aus Kalabrien, aber sie haben ihren Namen geändert, als sie nach Amerika ausgewandert sind, und ich hatte noch keine Zeit, diesem Aspekt nachzugehen. Diese Filmleute nehmen einen echt hart ran! Ich werde wohl ein wenig in den Archiven recherchieren müssen. Vielleicht kannst du mir dabei helfen, Mirella. Aber darüber können wir ein andermal reden. Letztlich interessiert mich meine Zukunft mehr als meine Vergangenheit.«
    »Das Wichtigste ist, dass man beides im Gleichgewicht hält.«
    Und so ging es weiter. Sie machten angenehmen Smalltalk, doch es wollte kein bisschen Spannung zwischen ihnen aufkommen. Die Umgebung trug auch nicht gerade dazu bei - mittlerweile hatte sich eine Gruppe gelangweilter Jugendlicher in weiten Jeans, bei denen der Schritt bis in die Kniekehlen hing, im Lokal breitgemacht -, doch Tom spürte außerdem eine innere Zurückhaltung bei Mirella, ein Bedürfnis, jegliche Intimität zu vermeiden. Das war natürlich typisch kalabrisch, und aus diesem Grund war auch er bisher sparsam mit der Wahrheit gewesen, doch es erklärte vielleicht, weshalb er, als sie ihre nächste Frage stellte, ehrlicher antwortete, als er eigentlich vorgehabt hatte, vermutlich um ein Zeichen zu setzen und ihr zu zeigen, dass er bereit war, ihr zu vertrauen.
    »Aber ich habe gehört, dass dieser Film, von dem du gesprochen hast, überhaupt nicht gedreht werden wird. Hast du nicht dieses Interview mit Luciano Aldobrandini im Fernsehen gesehen? Er hat behauptet, das Ganze wäre ein Schwindel!«
    Tom seufzte theatralisch. »Kann sein, dass er Recht hat. Hör zu, Mirella, das ist jetzt streng vertraulich, aber es geht da noch um ein anderes Projekt.«
    Mittlerweile hatte sie auf ihre anmutige, hingebungsvolle und methodische Art ihren Teller leer gegessen und war jetzt ganz Ohr.
    »Und was ist das?«
    »Sie glauben, sie haben das Grab des Alarich gefunden.«
    Nun lachte sie zum ersten Mal. »Das soll wohl ein Witz sein!«
    Tom zuckte weltmännisch mit den Schultern. »Für die wohl kaum. Da steckt eine Menge Geld drin, und das sind schwerreiche Geschäftsleute. Der Oberboss des ganzen Unternehmens ist heute im Privatjet eingeflogen, und sie haben vor …« Er konnte sich gerade noch rechtzeitig bremsen und überspielte es, indem er nach seinen Zigaretten griff und sie dann betrübt wieder hinlegte. »Ich hatte ganz vergessen, dass man hier ja nicht mehr rauchen darf!«
    Mirella schenkte ihm einen Blick, von dem er wünschte, er würde bis zum Ende seines irdischen Daseins auf ihm ruhen. »Nebenan ist eine Bar«, sagte sie. »Lass uns unseren Kaffee dort trinken und draußen rauchen.«
    Er wollte gerade antworten, da erwachte sein Handy wie ein Baby, das gerade eine Kolik kriegt. Es war Martin Nguyen, und er hörte sich gar nicht glücklich an.
    »Wo zum Teufel steckst du? Ich hab in deinem Zimmer angerufen, und es ging niemand ran.«
    »Ich hab mir nur schnell Zigaretten geholt, Mr Nguyen. Ich bin in fünf Minuten da.«
    Er legte zu viel Geld auf den Tisch, und nachdem sie beide aufgestanden waren, fasste er Mirella kurz am Arm, gleich oberhalb des Ellbogens, und zog sie

Weitere Kostenlose Bücher