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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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eine rhetorische Frage, aber Arnone beantwortete sie trotzdem. »Angst.«
    Zen sah ihn an, sagte jedoch nichts. Arnone hüstelte verlegen.
    »Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, ich bin der Meinung, dass Sie sich unterschätzen. Mein Vater hat immer gesagt: ›La paura guarda le vigne, non la siepe.‹ < Angst schützt den Weinberg, nicht die Hecke. Und ich weiß, dass man vor Ihnen Angst hat.«
    »Vor mir?«
    »Ja, Sir. Weil Sie, bei allem Respekt, keiner von uns sind. Deshalb weiß niemand, wozu Sie sich als Nächstes entschließen könnten.«
    Zen nickte. »Das ist logisch. Ehrlich gesagt, manchmal habe ich vor mir selbst Angst.«

44
    Angesichts der beschränkten Zeit, die Tom zur Verfügung hatte, hatte sein Date ein Lokal in Rende vorgeschlagen. Sie hatte ihm außerdem gesagt, ihr Name sei Mirella, ihn aber nicht nach seinem Namen gefragt.
    Tom hatte ihren Anruf erhalten, als er gerade irgendwo am Stadtrand auf dem Gelände einer Firma war, die Baumaschinen verlieh, und vertragliche Einzelheiten zwischen dem arroganten Knallkopf, der dort das Sagen hatte, und einem immer ungeduldiger werdenden Martin Nguyen klären musste. Er konnte in dem Moment nicht reden, hatte aber versprochen, Mirella so bald wie möglich zurückzurufen.
    »Wer war das?«, wollte Nguyen wissen.
    »Ach, bloß noch so eine bürokratische Sache, die ich erledigen muss, bevor sie die Leiche meines Vaters freigeben.«
    »Blödsinn«, bemerkte Nguyen kurz und bündig, führte diesen Kommentar aber nicht weiter aus. Er sah irgendwie kränklich aus, seit er seinen Boss vom Flughafen abgeholt hatte, bei weitem nicht so dynamisch wie sonst. Er fasste sich gelegentlich an den Magen und kaute Tabletten.
    Als sie schließlich wieder im Hotel waren, schlief der Obermacker, irgendein Microsoft-Millionär namens Jake, immer noch seinen Jetlag aus. Nguyen ging zu sechs kleinen, aber muskulösen Männern hinüber, die in der Eingangshalle herumsaßen, als erwarteten sie, jeden Moment hinausgeworfen zu werden. Sie sahen italienisch aus, sprachen es aber nicht, deshalb waren Toms Dienste nicht erforderlich, als Nguyen mit ihnen in einen Konferenzraum ging, den er gemietet hatte, um ihnen ihre Anweisungen zu erteilen. Offenbar verstand einer von ihnen Englisch und konnte Nguyens Erklärungen für die anderen in ihre Sprache übersetzen, die für Tom Arabisch oder sonst was hätte sein können. Folglich hatte er Zeit, Mirella zurückzurufen.
    Dass sie sich überhaupt bei ihm gemeldet hatte, hatte ihn erstaunt. Er hatte angenommen, dass diese äußerst attraktive Frau, bei der er zweimal einen unbeholfenen Annäherungsversuch gemacht hatte, keinerlei Interesse an ihm hatte. Ganz gewiss hatte sie ihn bei ihren zufälligen Begegnungen in keiner Weise ermutigt, und er hatte sie mehr oder weniger vergessen, was allerdings nicht so ganz stimmte. Und nun sagte sie, sie könnte sich mit ihm am Abend für ein paar Stunden treffen, wenn er Zeit hätte.
    Was er genau genommen natürlich nicht hatte. Martin Nguyen hatte ihn ganz klar angewiesen, dass er ständig erreichbar sein und innerhalb von fünf Minuten zur Verfügung stehen müsste, weswegen er bereits Nicola Mantegas Einladung für diesen Abend zu einem Arbeitsessen abgelehnt hatte, um darüber zu reden, was Tom über die angebliche Entdeckung des Alarich-Grabes wusste. Andererseits hatte er aus Nguyens Andeutungen geschlossen, dass die nächste Phase der Operation erst lange nach Einbruch der Dunkelheit stattfinden würde, und man hatte ihm noch nicht mal gesagt, um was es sich dabei handelte oder ob seine Anwesenheit erforderlich war. Sofern er schnell zum Hotel zurückkehren könnte, falls Nguyen ihn brauchte, gab es keinen Grund, in seinem Zimmer zu sitzen und Däumchen zu drehen, wenn er einen romantischen Abend mit - was für ein schöner Name! - Mirella verbringen konnte.
    Sie hatten sich um halb acht verabredet, doch Tom war zwanzig Minuten früher da, um das Lokal zu erkunden. Eine riesige schwarze Wolkenbank hing über der Stadt wie eines dieser unvorstellbar großen außerirdischen Raumschiffe im Film. Auf den Straßen herrschte eine unübersehbar bedrückende Atmosphäre. Das Lokal erwies sich als grelle Pizzeria an einer Kreuzung, nur fünf Minuten zu Fuß von seinem Hotel. Es sah halbwegs okay aus, und die Alternativen waren sogar noch weniger verlockend, was überhaupt für die ganze Gegend galt. Neben einigen Überbleibseln eines sich lang hinziehenden Straßenorts, an dem inzwischen die

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