Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
gebliebenen getrockneten Tomaten sott’olio aus, knackige, rostfarbene Halbkreise von einem so intensiven Aroma, dass Zen eingestehen musste, dass dieser aztekische Import wenigstens für etwas gut sein könnte.
Als er seine Mahlzeit beendet hatte, packte er die Abfälle zusammen und warf sie in eine der Tonnen, die der progressive Mitte-links-Stadtrat zur Verfügung stellte. Nur den Plastikbecher, den man ihm für den Wein gegeben hatte, behielt er und ging damit zu einem Brunnen, der hinter ihm in die Felswand eingelassen war. Er füllte den Becher mehrmals mit Wasser, das aus einem Metallröhrchen lief, das zwischen den Lippen eines in Stein gemeißelten Tritonen hervorragte, und trank es mit höchstem Genuss. Der mythologische Fries deutete eine fürchterlich schiefgegangene orale Befriedigung an, doch auf der Tafel darüber stand, dass das Wasser aus einer natürlichen Quelle stammte, die in dem Berg entsprang, auf dem die Bruttii genannten Ureinwohner ihre Stadt gegründet hatten. Das Wasser war erstaunlich rein und eiskalt, selbst zu dieser Jahreszeit. Es war schon zahllose Jahrhunderte aus dem Fels gesprudelt, bevor diese Bande militanter gotischer Touristen hier aufgetaucht war, um ihren toten Anführer irgendwo unter einem dieser miteinander verschmelzenden Flüsse zu begraben, in die auch dieses Wasser floss.
Dieser unschuldige und geradezu lyrische Gedanke zerstörte seine glückselige Stimmung, da er ihn an die Arbeit erinnerte. Die Szenerie war zwar immer noch sehr angenehm, doch es war, als wäre die Sonne hinter einem Schleier von hohen Zirruswolken verschwunden, obwohl sie das in Wirklichkeit gar nicht getan hatte. Am Vormittag hatte Zen das Gespräch zwischen Tom Newman und Nicola Mantega mitgehört - dank der elektronischen Geräte, die in dessen Büro installiert waren -, in dem es um den Verbleib des Schatzes ging, der zusammen mit diesem gotischen Häuptling begraben worden war. Mantega hatte sich ziemlich genau so aufgeführt, wie Zen das erwartet hatte, das heißt wie ein drittklassiger Tenor in einem Provinz-opernhaus. Er hatte weder den Stimmumfang noch das Volumen, ganz zu schweigen von der Subtilität, um wirklich große Rollen in Rom oder Mailand zu übernehmen, aber er verstand sich unstrittig darauf, dick aufzutragen und laut zu schmettern. Es sollte sich noch zeigen, ob sein Plan, Giorgio in eine Falle zu locken, funktionieren würde, doch da ihm im Moment selber nichts Besseres einfiel, war Zens einzige wirkliche Kritik, dass er sich selbst wie gefangen vorkam. Er hatte das Bedürfnis, aktiv zu werden, doch jeder Schritt, den er unternahm, könnte alles zunichtemachen. Anscheinend blieb ihm nichts weiter übrig, als abzuwarten und dann auf das Geschehen zu reagieren, und das deprimierte ihn ungeheuer.
Er wurde von dem Polizeifahrer aus seinen Träumereien gerissen, der nicht nur zur abgesprochenen Zeit wiedergekommen war, sondern sich außerdem zu Fuß auf die Suche nach Zen gemacht hatte, der die Vereinbarung völlig vergessen hatte. Er stand widerwillig auf und warf einen letzten Blick auf das massige Plateau ihm gegenüber, die dort hockenden Städtchen und Dörfer, die aus der Ferne wie Steinbrüche aussahen, die man in die bewaldeten Seiten gehauen hatte, und auf die in eleganten Kurven verlaufende superstrada , die mit ihren auf Stelzen stehenden Viadukten frech die Landschaft durchmaß. Dies brachte ihn auf etwas, das er tatsächlich tun konnte, und sobald er wieder in der Questura war, rief er Natale Arnone zu sich.
»Habe ich einen Akzent?«, fragte er den jungen Beamten.
Arnone warf ihm einen verstohlenen Blick zu. »Sir?«
»Bemerken Sie, wenn ich rede, einen Akzent? Mit anderen Worten, könnten Sie erkennen, dass ich nicht hier aus der Gegend stamme, wenn Sie es nicht bereits wüssten?«
»Nun ja, die Sache ist die …«
»Ein einfaches Ja oder Nein genügt, Arnone.«
»Dann ja, Sir.«
»Okay. Ich möchte, dass Sie diese Nummer anrufen und nach Signora Maria Arrighi fragen. Wenn sie sich meldet, geben Sie mir das Telefon und gehen hinaus. Wenn sich jemand anders meldet und fragt, wer dran ist, dann sagen Sie ihm oder ihr, dass Sie Arzt hier am Krankenhaus sind und mit der signora über die Ergebnisse von ihren Untersuchungen sprechen müssen. Wenn sie nicht zu Hause ist, fragen Sie, wann sie wiederkommt. Hinterlassen Sie keine Nummer, unter der sie zurückrufen kann. Verstanden?«
»Ja, Sir.«
Zen hörte dem anschließenden Telefongespräch nicht zu. Er ging
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