Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
war. Wenn man außerdem bedachte, dass der Typ preiswert war, zur Verfügung stand und ein sehr viel besseres Englisch sprach als Jake, fiel die Entscheidung nicht schwer. Martin vereinbarte mit ihm, dass er noch an diesem Abend kommen und die Stücke begutachten sollte, morgen um tausend Euro reicher zurückkehren, keine Fragen stellen und niemandem etwas erzählen würde. Die nächste halbe Stunde verbrachte er damit, den Nachttransport für ein Produkt, das er kürzlich bei eBay ersteigert hatte, zum hiesigen Flughafen zu arrangieren. Dann begab er sich auf die obere Etage, um Jake in seinem Zimmer aufzusuchen.
Das war nicht einfach. Allein Jake dazu zu kriegen, seine Tür aufzuschließen, war nicht einfach. Und Jake dazu zu kriegen, auf diese neue Entwicklung zu reagieren, war alles andere als einfach, aber wenn dieses schöne Stück Land jemals ihm gehören sollte, musste es sein. Jake redete nie viel, aber jetzt wollte er überhaupt nicht reden. Es dauerte zwanzig Minuten, ihm ein gelegentliches »Eeeh« zu entlocken, doch Martin gab nicht auf, wiederholte das Wesentliche immer wieder mit anderen Worten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er Jake endlich auf den geistigen Entwicklungsstand eines etwa Drei- bis Vierjährigen gebracht hatte, worauf er dann, genau wie ein kleines Kind, gar nicht mehr aufhörte zu reden. Martin musste sich einen weitschweifigen, unzusammenhängenden Monolog darüber anhören, wie man Jake absolut hereingelegt und betrogen hatte. Nach den Regeln des Spiels hätte die Menora da sein müssen, aber sie war es nicht, also musste das ganze Spiel verkorkst sein, und das war ja irgendwie ganz große Scheiße, nichts hatte mehr einen Sinn, wozu sollte Geld denn gut sein, wenn man sich nicht dafür kaufen konnte, was man wollte …
»Jake? Hallo, Jake!«
»Eeeh.«
»Hör mir zu, Jake. Eine Sache hab ich dir noch nicht erzählt. Diese Typen haben ein paar von den Sachen, die sie aus dem Grab gestohlen haben, ausdrücklich erwähnt. Eins davon war ein siebenarmiger Kerzenständer aus reinem Gold. Mantega hat gesagt, der hätte sie echt beeindruckt, weil er so riesig war und absolut ätzend zu transportieren. Hörst du mir zu, Jake? Die Menora war da. Sie ist in sicheren Händen, und diese Leute sind bereit, einen Deal zu machen. Die Sache ist noch nicht vorbei, also lass mich jetzt nicht hängen.«
»Eeeh!«
»Lass den Jet warten. Ich hab für heute Abend einen Experten hierherbestellt, den Direktor eines großen europäischen Museums. Er wird sich die Stücke ansehen, die man uns zur Begutachtung gibt. Wenn er sagt, dass sie echt sind, heißt das, dass die ganze Geschichte wahr ist und der übrige Schatz ebenfalls echt sein muss. In dem Fall wenden wir uns wieder an diese Leute und sagen ihnen, dass wir nur daran interessiert sind, diesen großen Kerzenständer zu kaufen. Von da an ist es nur noch eine Frage des Geldes.«
Jake hing noch eine Weile motzend herum, doch letztendlich schien er die Logik des Gesagten zu begreifen.
»Yeah, irgendwie, wie auch immer, nehm ich an.«
49
Der Anruf, auf den Nicola Mantega gewartet hatte, kam kurz nach vier an diesem Nachmittag.
»Sieh in deinen Briefkasten«, sagte Giorgio. »Hol die Ware ab und bring sie den Käufern zur Begutachtung. Behalt die Sachen die ganze Zeit im Auge und nimm sie wieder mit, wenn du gehst. Dann bring sie dahin zurück, wo du sie hergeholt hast, steck die Quittung, die du dafür bekommst, in einen Briefumschlag und liefere ihn persönlich bei der Adresse ab, die auf dem Zettel in dem Umschlag steht. Diese Stücke sind unverkäuflich.«
Mantega lief die Treppe hinunter in die trostlose Eingangshalle des Gebäudes und schloss sein Fach in dem großen Metallkasten an der Wand auf. Neben dem üblichen Stapel Reklame und Rechnungen befand sich ein neutraler brauner Umschlag, ohne Adresse und ungestempelt. Dieser enthielt einen Gepäckabholschein mit dem Aufdruck Fratelli Girimonti und einer Adresse in der Nähe des Busbahnhofs. Darunter war das Datum von heute gestempelt und die Abgabezeit handschriftlich hinzugefügt. Das war vor etwa fünf Stunden gewesen. Außerdem lag in dem Umschlag ein Zettel, auf den jemand in ungelenken großen Blockbuchstaben eine Adresse in der Altstadt geschrieben hatte.
Mantega beschloss, zu Fuß über den Corso Mazzini zu ersterer Adresse zu gehen und zurück ein Taxi zu nehmen. Die Bewegung würde ihm guttun und außerdem sein Gemüt ein wenig beruhigen, das verständlicherweise
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