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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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zum Fenster und blickte auf das massive Sila-Gebirge, das östlich der Stadt aufragte. Mittlerweile war er davon überzeugt, dass die Ursprünge des Falls, mit dem er befasst war, dort lagen, und die Lösung vielleicht ebenfalls.
    »Un momento solo« , hörte er Arnone hinter sich sagen.
    Zen legte eine Hand über die Sprechmuschel des Telefons, das Arnone ihm hinhielt.
    »Ziehen Sie Mirella Kodra aus der direkten Überwachung von Mantega ab. Es sieht so aus, als kämen ihm allmählich Zweifel an ihrer Person.«
    Arnone nickte. Dann nahm Zen die Hand weg und legte den Hörer an sein Ohr.
    »Signora Arrighi, hier ist Aurelio Zen. Ich muss Sie morgen sehen.«
    »Oh, das ist schwierig!«
    Zen versuchte sich das Zimmer vorzustellen, in dem Maria sich aufhielt, ein schäbiges kleines Kabuff, das von einer grellen nackten Glühbirne beleuchtet wurde, um die ununterbrochen ein Schwarm Fliegen kreiste, und dessen Wände sogar noch größere Ohren hatten als die von Nicola Mantegas Büro.
    »Eine Freundin von mir ist letzte Nacht gestorben, und ich helfe bei den Vorbereitungen«, fuhr Maria fort. »Ich kann jetzt nicht alles stehen und liegen lassen und sagen, ich muss zu meinem Arzt in die Stadt fahren. Das würde die Leute hier sehr verwundern, und es würde Gerede geben. Verstehen Sie, dottore ?«
    »Absolut. Darf ich Ihnen mein Beileid aussprechen. Wann ist die Beerdigung?«
    »In ein paar Tagen. Benedicta hat Verwandte im Ausland. Die brauchen Zeit, um herzukommen.«
    Zen brummte zustimmend. »Natürlich möchte ich Sie zu so einem schmerzlichen Zeitpunkt nur ungern behelligen, aber wenn Sie bereit wären, sich morgen Vormittag mit mir zu treffen, hätte ich eine Idee, wie man so ein Treffen ermöglichen könnte.«
    »Nämlich?«
    »Indem Sie erklären, dass Sie zu Fuß zu der Kirche in Altomonte Vecchia pilgern wollen, um für Ihre Freundin zu beten. Sie könnten vielleicht sagen, dass Sie glauben, dass Gebete aus der alten Kirche wirkungsvoller sind als welche, die in der neuen Kirche gesprochen werden. Und dass Sie alleine gehen möchten, um - was sollen wir sagen? - elf Uhr vormittags, und dass Sie nicht gestört werden möchten. Wenn Sie damit einverstanden sind, würde ich Sie dann dort treffen. Vorher würde ich mit ein paar von meinen Männern auf der anderen Seite den Hügel hinauflaufen, und meine Leute würden alle Zugänge zum alten Dorf für jeden außer Ihnen sperren.«
    Am anderen Ende herrschte Schweigen.
    »Sie schlagen also ein heimliches Stelldichein vor?«, fragte Maria schließlich.
    »Nun ja«, sagte Zen nach kurzem Zögern. »Ja, es ist wohl so was Ähnliches.«
    »Warum?«
    Zuerst wusste er nicht, wie er darauf antworten sollte, dann stürmten alle Antworten auf einmal auf ihn ein. »Weil Sie der einzige Mensch sind, den ich hier getroffen habe, dem ich vertraue. Weil Sie mich an meine Mutter erinnern, möge Gott sie in Frieden ruhen lassen. Weil Sie schon bald dort sein werden, wo Ihre Freundin Benedicta jetzt ist, und weil ich glaube, dass es Dinge gibt, die Sie nie jemandem erzählt haben, was Ihre Existenz in vitam venturi saeculi gefährden könnte.«
    Es folgte ein langes Schweigen, dann wurde es am anderen Ende der Leitung unruhig. Im Hintergrund waren Geräusche und Stimmengemurmel zu hören.
    »Ich rede gerade mit meinem Arzt«, brummelte Maria. Dann sprach sie klar und deutlich ins Telefon: »Morgen um elf? Eh no, dottore! Mi dispiace, ma non posso veramente. Ich muss einen privaten Pilgergang machen, und zwar ganz alleine, zu der Kirche im alten Dorf hier oben auf dem Hügel, um für meine liebe Freundin Benedicta zu beten. Sie war im Grunde ihres Herzens ein guter Mensch, aber so, wie sie gestorben ist, hatte sie keine Zeit mehr, ihre Sünden zu bekennen, und ich mache mir Sorgen um den Zustand ihrer unsterblichen Seele. Deshalb werde ich um diese Zeit dort oben sein und kann nicht ins Krankenhaus kommen. Aber trotzdem vielen Dank, dass Sie so freundlich waren, mich anzurufen. Ich werde es nicht vergessen.«

48
    »Der Wagen fährt in dreißig Minuten los«, sagte Martin Nguyen unwirsch, als Tom wieder im Hotel auftauchte. »Wenn du mit zurückkommen willst, setz deinen Arsch in Bewegung. Ich hab dein Zimmer schon bezahlt.«
    Martins eigenes Zimmer war bereits leer geräumt, und seine ganzen Sachen waren in zwei einbruchssichere Koffer mit Zahlenschlössern verpackt, die neben dem ungemachten Bett standen. Der Morgen war die reine Hölle gewesen. Zuerst mussten die irakischen Arbeiter

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