Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
ziemlich aufgewühlt war. Außerdem hätte er so eine viel bessere Chance, die Freundin des jungen Tommaso oder irgendeinen anderen Verfolger zu entdecken. Am Ende des langen, schnurgeraden und weithin zu überblickenden Boulevards ballte sich in den dünneren Luftschichten eine dicke weiße Gewitterwolke zusammen und wurde immer größer, wie der Staub-und-Schmutz-Pilz einer Explosion in Zeitlupe. Unten auf der Straße präsentierte das gleißende Sonnenlicht alles in seiner ungeschminkten Nacktheit, was jedem Kalabrier erbarmungslos klarmachte, dass alles so war, wie es aussah, und immer so sein würde, was Leuten wie Mantega das Leben leichter machte, die mit Dingen handelten, die nicht immer das waren, was sie zu sein schienen. Mantega lief den Corso Mazzini entlang, erwiderte die Grüße von männlichen Bekannten und registrierte die unverblümten Blicke von Frauen, die jung genug waren, um seine Tochter zu sein, was ihm zeigte, dass er immer noch ein mächtiger Mann war, auch wenn er mittlerweile ein wenig korpulent geworden sein mochte. Sie wussten genau, wo was für sie zu holen war. Mantega spürte, wie er sich mit jedem Schritt entspannte. Solange er hier in seinem gewohnten Territorium blieb, umgeben von seinen Leuten, konnte ihm niemals etwas wirklich Schlimmes passieren.
Fratelli Girimonti stellte sich als altmodischer Eisen- und Haushaltswarenladen heraus. Er lag auf einer Seite des Platzes, den man aus dem Hang geschlagen hatte und wo die Überlandbuslinien endeten. Hier konnte man Nägel, Schrauben, Dübel, Muttern und Dichtungen in allen Formen und Größen kaufen, Bohrer und Meißel, Hämmer und Beile, Zangen und Bolzenschneider, ganz zu schweigen von gusseisernen Bratpfannen, Grills und Gartenmöbeln, die an Haken von der Decke hingen. Wenn man irgendetwas aus Eisen brauchte, war das eindeutig die richtige Adresse. Die Gepäckaufbewahrung war nur ein zusätzliches Serviceangebot, ein Relikt aus der Zeit, als Bauern und Handlungsreisende mit dem Bus ankamen und einen Ort brauchten, wo sie ihr Gepäck deponieren konnten, bis sie weiterreisten oder eine Unterkunft gefunden hatten. Nicola Mantega händigte seinen Abholschein aus, bezahlte die geringfügige Gebühr und nahm einen großen und erstaunlich schweren Karton in Empfang.
Dann ging er nach draußen und schaute sich nach einem Taxi um. In der Nähe des Busbahnhofs standen eigentlich immer welche.
»Prego.«
Mantega brauchte einen Moment, um den Wagen zu registrieren, der in zweiter Reihe vor der Eisenwarenhandlung parkte. Und er brauchte noch etwas länger, um das Gesicht des neuen Polizeichefs zu erkennen, der ihn durch einen offenen Spalt in der getönten hinteren Seitenscheibe anstarrte.
»Nein, vielen Dank, sehr freundlich von Ihnen, aber ich nehme lieber ein Taxi«, faselte er.
»Ich bin überhaupt nicht freundlich«, erwiderte Zen. »Steigen Sie ein.«
Mantega fühlte sich furchtbar exponiert, während er sich zwischen Obdachlosen, Studenten, afrikanischen Straßenhändlern, bettelnden Zigeunern und Schnäppchenjägern zu dem Wagen durchdrängte.
»Wie können Sie denn wissen, dass keiner von Giorgios Leuten das gesehen hat?«, fragte er Zen verärgert, als der Wagen losfuhr.
»Warum sollte Giorgio seine Leute dem Risiko aussetzen, entdeckt zu werden, bloß um eine absolut routinemäßige Transaktion zu beobachten? Außerdem hat das Überwachungsteam, das Ihnen hierher gefolgt ist, keine Konkurrenz gemeldet, deshalb habe ich beschlossen, die Chance zu nutzen. Cosenza langweilt mich allmählich, und ich möchte das Tempo ein wenig forcieren. Lassen Sie uns einen Blick auf die Ware werfen.«
Mit Hilfe eines gefährlich aussehenden Messers, das Zens Fahrer zur Verfügung stellte, schlitzte Mantega das Plastikklebeband auf, mit dem der Karton, der auf seinen Knien stand, verschlossen war, worauf mehrere Lagen vergilbtes Zeitungspapier zum Vorschein kamen. Wie Kinder, die ihre Weihnachtsgeschenke auspacken, begannen beide Männer, an dem Verpackungsmaterial zu zerren und es auf den Boden zu werfen. Mantega war als Erster am Ziel und zog das schönste Objekt hervor, das er je im Leben in der Hand gehabt hatte. Es war ein Teller aus gehämmertem Gold, in den ein Muster aus verschlungenen Weinblättern eingraviert war. Zen hatte mittlerweile ebenfalls etwas gefunden, nämlich eine flache Schüssel mit einem Relief von Nymphen und Satyrn. Das Gold glänzte mit einer Intensität, Kraft und Sinnlichkeit, als ob es lebendig wäre. Mantega
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