Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
kam sich vor, als würde er den Körper einer Frau liebkosen. Er neigte eigentlich nicht dazu, sich von Ehrfurcht überwältigen zu lassen, und wusste deshalb nicht, wie er mit den Gefühlen umgehen sollte, die er jetzt empfand. Irgendwie schienen die Objekte, die aus der billigen Verpackung in dem bereits benutzten Karton zum Vorschein gekommen waren, lebendiger zu sein als er selbst.
»Wo um alles in der Welt hat Giorgio das denn her?«, fragte Zen.
»Ich habe keine Ahnung. Er will, dass ich die Sachen zu diesem Eisenwarenhändler zurückbringe und die Quittung dafür bei einer Adresse in der Nähe der Kathedrale abliefere. Er hat gesagt, das Zeug wäre unverkäuflich. Aber das wissen Sie natürlich schon.«
»Ja, aber ich kenne die Adresse noch nicht. Zeigen Sie mir den Zettel.«
Mantega überreichte ihn seufzend. »Bitte gehen Sie in diesem Punkt diskret vor, dottore . Wenn Giorgio der Verdacht beschleicht, dass ich ihn verraten habe, kommt er und bringt mich um! Verstehen Sie?«
Einen Moment lang hatte er sich vergessen und befürchtete schon, dass der Polizeichef ihm das übelnehmen könnte. Doch Zen ignorierte nicht nur, was er gesagt hatte, sondern das ganze Thema.
»Dann müssen Sie jetzt also diese kleinen Prunkstücke den amerikanischen Schatzsuchern zeigen, um die genuinità del prodotto zu beweisen.«
»Genau.«
»Dann machen Sie sich mal an die Arbeit. Die Dinge bewegen sich immer schneller, Signor Mantega. Wir müssen uns ihrem Rhythmus anpassen, wenn wir nicht ins Hintertreffen geraten wollen.«
»Ich kümmere mich darum, sobald ich wieder im Büro bin.«
»Sie Dummkopf! Ich höre doch eh mit. Machen Sie’s jetzt.«
Das war ein Befehl. Mantega nahm sein Telefon.
»Wie geht es Ihnen, Tommaso? Gut, gut. Hören Sie zu, ich hab eine Nachricht für Ihren Boss. Ich habe jetzt die Muster, über die wir gesprochen haben, und kann sie Ihnen innerhalb einer halben Stunde ins Hotel bringen. Doch sie sind extrem wertvoll, und man hat mir den strikten Befehl erteilt, sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Deshalb hielte ich es für besser, wenn wir damit warten, bis derjenige, der die Stücke prüfen soll, da ist. Könnten Sie mich also bitte informieren, sobald das der Fall ist, egal zu welcher Tag- oder Nachtzeit? Ich warte auf Ihren Anruf.«
Er schaltete das Telefon aus und sah Zen an. Sie waren jetzt auf der superstrada in der Nähe der Zentrale der Carabinieri und des neuen Bahnhofs. Dort könnte er ein Taxi bekommen.
»Darf ich jetzt gehen?«, fragte er.
Es kam keine Antwort. Zens Schweigen wirkte noch viel bedrohlicher als alles, was er sagte. Deshalb war Mantega erleichtert, als er endlich sprach.
»Mal angenommen, diese Stücke werden tatsächlich für echt befunden. Wie wollen Sie denn dann die zum Verkauf anstehende Ware beschaffen?«
Über diese Frage hatte Mantega ausgiebig nachgedacht. »Diesen Teil der Verhandlungen werde ich persönlich führen. Selbstverständlich können wir diese Leute nicht einladen, sich den gesamten Schatz anzusehen und sich dann auszusuchen, was sie haben wollen, da wir ihnen nichts zu zeigen haben. Aber ein solcher Verkauf würde in jedem Fall unter größter Geheimhaltung stattfinden, um sowohl den Käufer als auch den Verkäufer zu schützen, und selbst der reichste Mann der Welt wäre nicht in der Lage, den gesamten Schatz zu kaufen. Wenn es so weit ist, werde ich diesen Aspekt herausstreichen und den Amerikanern zu entlocken versuchen, an was für Objekten sie interessiert sind.«
Zen nahm den goldenen Teller in die Hand, dessen Wesen auf faszinierende Weise irgendwo zwischen dem sanften Glanz, den das Auge wahrnahm, und dem nicht unerheblichen Gewicht des eigentlichen Gegenstands zu schweben schien.
»Na schön. Mal angenommen, die sagen, dass ihnen dieses Essservice sehr gut gefällt, bloß hätten sie gerne alle achtzehn Teile.«
Mantega lächelte selbstzufrieden. »Wir haben hier in Kalabrien eine lange handwerkliche Tradition. Die Lauten- und Gitarrenbauer von Bisignano sind auf der ganzen Welt berühmt. Ihre Vorfahren wurden vor hunderten von Jahren von der Familie Calopezzati aus Neapel hierhergebracht. Von allen späteren Entwicklungen abgeschnitten, haben sie ihre Instrumente weiter so gebaut, wie sie es immer taten. Als man diese alten Instrumente für die Musik wiederentdeckte, waren sie die einzigen Handwerker auf der ganzen Welt mit einer ungebrochenen Tradition. Das ist so, als würden die Nachfahren der großen Geigenbauer in
Weitere Kostenlose Bücher