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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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konnte er nicht. Das lag in seiner Natur, genau wie das Verhalten von Habichten und Krähen in deren Natur lag.
    »Eine alte Frau ist den Hügel heraufgekommen«, sagte Arnones Stimme. »Ich habe sie angehalten und Ihnen ein Foto von ihr geschickt.«
    Natale Arnone bewachte das Ende des Pfades, der von der neuen Siedlung Altomonte zum verlassenen Dorf führte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hügels tat Luigi Caricato das Gleiche mit dem einzigen anderen Weg ins Dorf, über den Zen und die beiden Beamten zuvor gekommen waren. Ihr Zivilfahrzeug hatten sie auf dem leeren Parkplatz weiter unten abgestellt. Zen drückte die entsprechenden winzigen Knöpfe, und Marias Gesicht erschien auf dem Display seines Telefons.
    »Lassen Sie sie durch«, wies er Arnone an. »Dann machen Sie bis auf weiteres den vorderen Zugang dicht. Sagen Sie Caricato, er soll am hinteren Zugang das Gleiche tun.«
    Im Westen hingen dichte, dunkle Gewitterwolken über der Gebirgskette an der Küste, doch hier oben auf dem Sila-Massiv schien die Sonne grell herab, nur nicht auf den Viertelkreis, den der Schatten der stehen gebliebenen Mauern der Calopezzati-Festung bildete. Zen war bewusst früh zu seiner Verabredung mit Maria gekommen, doch nun schien ihm das Ergebnis ihres Treffens beinahe irrelevant. Es war genug, einfach hier in der angenehm warmen und sehr klaren Luft zu sein, umgeben von unzähligen Pflanzen und Lebewesen, die Zen nicht benennen konnte. In der Ferne tauchte eine kleine rundliche Gestalt auf und ging festen Schrittes die ehemalige Hauptstraße des Ortes entlang, vorbei an den verfallenen Mauern, aus denen man alles wiederverwendbare Material herausgebrochen hatte, an den Kellern, in denen jetzt nur noch Schutt lagerte, und den Fundamenten längst verschwundener Häuser, in denen Menschen die begrenzten und weitgehend vorhersagbaren Erfahrungen genossen oder durchlitten hatten, die das Leben zu bieten hat.
    Als Maria die piazzetta erreichte, stand Zen auf und ging ihr entgegen. Sie begrüßten sich zurückhaltend.
    »Sind Sie sicher, dass Ihnen niemand gefolgt ist, signora ?«, fragte Zen.
    Er genoss diesen Morgen fern der Arbeit zwar, doch Giorgio hatte bewiesen, wie rasch und gnadenlos er Vergeltung üben konnte, deshalb machte Zen sich Sorgen um Marias Sicherheit.
    »Wer sollte schon einer alten Frau wie mir folgen? Außerdem habe ich den Seitenpfad genommen, der erst ein ganzes Stück von der Stadt entfernt auf den Hauptweg stößt, dann bin ich im Wald stehen geblieben, um zu sehen, ob jemand kommt. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    »Sie sind sicher müde. Es ist ein steiler Anstieg.«
    Maria gab ein wegwerfendes, zischendes Geräusch von sich. »Den Weg bin ich so oft gegangen, dass meine Beine es gar nicht mehr merken. Ich könnte ihn in einer mondlosen Nacht bei Sternenlicht gehen.«
    Hier oben in den Bergen würde es immer noch einen wunderbar funkelnden Sternenhimmel geben, überlegte Zen. Früher war das überall so gewesen, doch im Laufe seines Lebens war diese himmlische Pracht ausgelöscht worden wie ein mittelalterliches Fresko, das in einem aufgeklärteren Zeitalter in grellen Farben übermalt worden war.
    »Kommen Sie, wir setzen uns in den Schatten«, sagte er. »Dort drüben ist es angenehm kühl.«
    Er zeigte auf die Treppe, auf der er bis eben gesessen hatte. Maria schüttelte entschieden den Kopf.
    »Nicht dort«, sagte sie.
    Zen brauchte einen Augenblick, um zu begreifen. »Ah, natürlich. Wegen des Mords.«
    »Welchem Mord?«, fragte Maria.
    »Nun ja, an dem amerikanischen Anwalt. Dem Sohn von Caterina Intrieri, wie Sie sagen.«
    Nun wirkte Maria verwirrt. »Neben der Kirche ist eine Bank«, sagte sie. »Dort wird es genauso schattig sein, und wir bekommen den Wind vom Monte Botte Donato mit. Der ist sehr gesund und riecht nach Harz. Das hat er jedenfalls früher getan, bevor die Eisenbahn kam und sie alle Bäume gefällt haben. Mein Vater hat für die Gesellschaft gearbeitet, die die Rechte gekauft hatte. Er hat gesagt, diese riesigen Pinien zu fällen war, als würde man sich selber Arme und Beine abhacken. Aber wir brauchten das Geld.«
    Zen bemerkte ihre Erregung, die sie mit ihrem Geplauder zu kaschieren versuchte, sagte aber nichts dazu.
    »Also, was wollen Sie von mir?«, fragte Maria, nachdem sie auf der steinernen Bank Platz genommen hatten.
    »Ich möchte, dass Sie mir alles erzählen, was Sie über den Mann namens Giorgio wissen, gehört haben oder vermuten«, sagte er mit

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