Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
weichgeklopft habe, habe ich ihm gesagt, er wäre töricht gewesen. In deinem Fall kann man nur von dumm reden. Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir die Situation klarstellen, in der du dich befindest. Die einzigen Zeugen bei dem Überfall waren du, das Opfer und dessen Freundin. Eins, zwei, drei. Wenn dieser Fall vor Gericht kommt, wird jede Aussage, die du zu deiner Verteidigung abgibst, natürlich für wertlos erklärt. Was das Opfer betrifft, so scheint der Mann, kurz nachdem du auf ihn eingestochen hast, in einen Schockzustand gefallen zu sein und hat nur ganz vage und äußerst wirre Vorstellungen von dem, was passiert ist. Mit anderen Worten, die einzige glaubwürdige Zeugin - die Person, die praktisch dein Schicksal entscheiden wird - ist die Frau, die ihn begleitet hat.
Und wie du letzte Nacht schmerzlich erfahren hast, ist sie außerdem Polizeibeamtin. Sofern sie diesen Beruf nicht aufgeben möchte, wird sie den Untersuchungsrichtern genau das sagen, was ich ihr zu sagen auftrage. Wenn sie aussagt, dass deine Absichten eindeutig mörderischer Art waren und nur durch die Wachsamkeit und Wendigkeit des Opfers vereitelt wurden, wirst du wegen versuchtem Mord verurteilt. Wenn sie hingegen unter Eid erklärt, dass du keineswegs nervös und kopflos warst, sondern genau wusstest, was du tatest - nämlich Signor Newman eine schmerzhafte, aber nicht lebensbedrohliche Verletzung zuzufügen, als kleine Lektion mit der indirekten Drohung, dass er das nächste Mal vielleicht nicht so glimpflich davonkommen würde -, dann wirst du wegen geringfügiger Körperverletzung eingelocht.
Nun besteht ein großer Unterschied zwischen Körperverletzung und einem vermasselten Mordversuch, Rocco. Mindestens zehn Jahre und möglicherweise noch mehr, je nachdem, wie sehr den Richter seine Hämorrhoiden piesacken. Aber im allergünstigsten Fall bedeutet das ein ganzes Jahrzehnt, in dem du, statt zu essen und zu trinken, dich zu prügeln, zu bumsen und sonstigen Vergnügungen nachzugehen, mit denen du dich über deine dir vorbestimmte Rolle als Schwachkopf hinwegtröstest, zweiundzwanzig Stunden am Tag mit fünf weiteren Schwachköpfen in einer Zelle eingesperrt sein wirst, die eigentlich nur für zwei Personen vorgesehen ist, das Ganze unter den wachsamen Augen von uniformierten Schwachköpfen, die das Zuchthaus nach ihren eigenen altbewährten Methoden führen und ein besonderes Vergnügen daran haben, ihren Schützlingen die verlockende Möglichkeit zu nehmen, sich ganz langsam mit einem verknoteten Betttuch zu strangulieren, das an das Fenstergitter gebunden ist.
Du hast jetzt die Wahl, Rocco. Willst du die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre damit verbringen, beschissene Pizza zu essen, denjenigen von deinen Kretinkumpels zusammenzuschlagen, der an dem Abend gerade etwas kaputter ist als du, und zur alarmierenden Zunahme sexuell übertragbarer Krankheiten beizutragen, oder möchtest du diesem ganzen Horror entrinnen und ein ruhiges Leben auf Kosten des Steuerzahlers führen? Ich verstehe, dass das eine schwierige Entscheidung ist, besonders für jemanden, dem schon der Kopf raucht, wenn der Kellner nur fragt: ›Acqua gassata o naturale? ‹ Aber ich fürchte, du wirst dich entscheiden müssen. Und zwar jetzt. Genau gesagt in den nächsten fünf Minuten. Wenn du tust, was ich will, wird dein Aufenthalt im Gefängnis so kurz sein, dass du vielleicht noch nicht mal auf die harte Tour erfahren wirst, wer wen in dem Stück Knast, in das man dich gesteckt hat, in den Arsch fickt, zumal ich stark bezweifle, dass du für irgendjemanden die erste Wahl sein würdest.«
Eine weitere Minute verging schweigend. Dann machte Rocco Battista zum ersten Mal den Mund auf. »Was soll ich denn tun?«
»Giorgio Fardella unter der Nummer anrufen, die auf seine Schwester Silvia in San Giovanni in Fiore eingetragen ist und die im Verzeichnis deines Handys unter dem Namen Lui steht. Dein Mobilfunkanbieter hat uns mitgeteilt, dass du diese Nummer in den letzten zwei Jahren dreimal angerufen hast, was darauf hindeutet, dass du Giorgio bekannt bist, aber nicht zu seinen engen Verbündeten gehörst. Das Nächste ist reine Vermutung, aber ich halte es für wahrscheinlich, dass er dich ab und zu für kleinere Jobs benutzt hat, sicher für solche, die wenig Intelligenz und keine besonderen Fähigkeiten erforderten, aber ein Risiko beinhalteten, dem er die nützlicheren Mitglieder seiner Organisation nicht aussetzen wollte. Drei Minuten.«
Noch einmal
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