Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Er hatte inzwischen gelernt, dass dies ein Ferngespräch bedeutete, vermutlich von einem der Bosse. Das Furchtbarste am Einsatz in Europa war der Zeitunterschied. Wenn man nach einem harten Tag an den Rudern aus der Galeere kroch, kamen die arbeitswütigen Typen in den Staaten gerade vollgepumpt mit Koffein im Büro an und wollten zeigen, wie toll sie waren.
»Phil Larson.«
»Phil? Hier ist Martin Nguyen.«
»Hi, Mr Nguyen.«
»Phil? Phil? Sind Sie da?«
»Natürlich bin ich da.«
»Ich kann Sie nicht hören, Phil! Können Sie mich hören?«
»Ich höre Sie sehr gut, Mr Nguyen. Vielleicht stimmt was mit der Verbindung nicht.«
»Phil. Da stimmt offenbar mit der Verbindung was nicht. Ich rufe Sie sofort zurück.«
Oh nein, das wirst du nicht, dachte Phil und drückte mit der Schnellwahltaste rasch eine andere Nummer.
»Hi, Phil.«
»Hi, Jason«, erwiderte Phil und stieß die Tür auf. Jason sah ihn überrascht an und wollte schon sein Handy ausschalten.
»Lass es an!«, bat ihn Phil. »Ich muss mein Telefon blockieren, bis ich mich ein bisschen entspannt hab.«
Nachdem er sich kurz unter der, wie sie sagten, Kloakendusche abgespült hatte, kam Phil in seiner Straßenkleidung zurück. Die anderen wollten los. Phil erklärte ihnen, er käme später nach, ging in sein Büro und scrollte das Namensverzeichnis auf seinem Handy durch, bis er auf »Rapture Works« stieß.
»Martin.«
»Hier ist Phil, Mr Nguyen.«
»Na endlich! Ich versuche schon eine halbe Stunde lang, Sie zu erreichen. Wo zum Teufel waren Sie?«
Phil war nicht gerade ein eifriger Beobachter der menschlichen Natur - zu viele Variablen -, doch Martin Nguyen war ihm immer als jemand erschienen, der am ehesten wie die elektrischen Schaltkreise funktionierte, die er liebte und verstand. Nun klang er wie ein aufgescheuchtes Huhn. Was war los?
»Ich musste einen anderen Anruf entgegennehmen, Mr Nguyen. Unser Lieferant für Flugbenzin hat nicht rechtzeitig geliefert, und wir haben nur noch für fünfzehn Stunden Treibstoff. Doch das hab ich jetzt geregelt. Das Benzin kommt morgen, wird mit dem Lkw aus …«
»Ich will nicht Ihre ganze Lebensgeschichte hören, Larson. Was gibt es für Fortschritte?«
»Nun ja, wir arbeiten in Schichten von zwölf Stunden und schaffen etwa hundert Kilometer pro Tag.«
»Aber Sie haben noch nichts gefunden.«
»Das hätten Sie erfahren.«
»Wie lange wird es denn noch dauern?«
»Das ist schwer zu sagen, Mr Nguyen. Wir könnten es gleich morgen früh finden oder erst am Ende unserer letzten Runde.«
»Wie könnte man die Suche beschleunigen?«
»Überhaupt nicht. Die Ultraschallwellen brauchen eine bestimmte Zeit, um in den Boden einzudringen und wieder zum Empfangsgerät zurückzukehren. Die Dauer jeder Wellenschwingung stellt eine physikalische Konstante dar. Wenn die Vorwärtsbewegung des aufzeichnenden Fahrzeugs das Tempo der von dieser Konstante erzeugten Hüllkurve übersteigt, sind die gelieferten Informationen wertlos.«
Von Martin Nguyen drang ein Zischen aus dem Apparat. »Dann müssen wir unsere Ressourcen erweitern. Mieten Sie noch einen Hubschrauber.«
»Ohne Hardware bringen Hubschrauber nichts.«
»Dann lassen Sie sich zusätzliche Geräte schicken.«
»Nun ja, darüber müssten Sie mit unserer Firmenleitung reden, Mr Nguyen, aber ich fürchte, das könnte ein Problem sein.«
»Sie meinen eine Herausforderung?«
»Nein, ich meine ein Problem. Der Scanner, den wir benutzen, wurde ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt und in hoch fliegenden Flugzeugen und Drohnen verwendet. Eine zivile Variante zum Einsatz aus niedrigeren Höhen ist noch in der Entwicklung, doch Aeroscan ist es gelungen, für Ihr Projekt eine Beta-Version des Prototyps an Land zu ziehen. Es ist ein Prachtstück und funktioniert großartig, aber meines Wissens stehen derzeit keine weiteren Exemplare zur Verfügung.«
»Okay. Sie haben gesagt, Sie arbeiten zwölf Stunden am Tag. Das ist nur eine Leistung von fünfzig Prozent. Sagen Sie Ihrer Firma, sie soll mehr Leute schicken, stellen Sie noch einen Piloten ein, und wo Sie gerade dabei sind, könnten Sie sich gleich noch um einen weiteren Treibstofflieferanten bemühen, und arbeiten Sie künftig rund um die Uhr.«
»Ich sage es Ihnen nur ungern, Mr Nguyen, aber das geht nicht. Das hier ist reiner Sichtflug. Wir fliegen auf einer Höhe von weniger als hundert Fuß in einem unübersichtlichen Gebiet am Rande einer größeren Stadt, die auf drei Seiten von
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