Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Bergen umgeben ist. Wir bearbeiten zurzeit die Schwemmebene, aber einige Seitentäler auf unserer Projektkarte sind am Boden kaum dreißig Fuß breit. Es gibt keine Fluginstrumente, die damit zurechtkämen. Die Behörden waren bisher ziemlich kooperativ, aber die würden uns niemals erlauben, zwischen Abend- und Morgendämmerung zu fliegen. Abgesehen von allen anderen Schwierigkeiten suchen wir doch angeblich nach geeigneten Drehorten für einen Film. Wie soll man das denn im Dunkeln machen?«
Wieder dieses Zischen. »Also, wann würden wir im schlimmsten Fall spätestens wissen, ob da etwas ist oder nicht?«
»In etwa einem Monat, wenn alles gutgeht.«
»Das ist viel zu spät.«
»Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll, Mr Nguyen. Ich wusste nicht, dass es für diese Sache ein Zeitlimit gibt.«
»Die Situation hat sich verändert. Der Regisseur des Films, den wir als Vorwand für die Operation benutzen, will nächste Woche mit den Dreharbeiten beginnen.«
»Na und? Der stört uns doch nicht.«
»Nein, aber ihr stört ihn. Er wird sich wundern, wieso dieser Hubschrauber den ganzen Tag hin und her fliegt, während er versucht, eine Szene zu drehen. Wenn er dann herumfragt, wird man ihm sagen, dass der Hubschrauber nach Drehorten für seinen Film Ausschau hält. Blödsinn, wird er sagen. So was hab ich nie in Auftrag gegeben.«
»Tut mir leid, Mr Nguyen, aber das geht weit über meinen Kompetenzbereich hinaus.«
»Na schön, dann wollen wir mal sehen, wie kompetent Sie sind, Larson. Sie haben keinen Monat mehr Zeit, Sie haben noch knapp eine Woche, also müssen Sie Prioritäten setzen.«
»Aufgrund welcher Kriterien?«
»Wie meinen Sie das?«
Phil seufzte. »Mr Nguyen, unser Projektplan hängt hier in meinem Büro an der Wand. Ich gucke in diesem Augenblick darauf. Und was ich sehe, ist eine Karte in großem Maßstab, auf der das Gebiet in fünfzehn Meter breite Streifen eingeteilt ist. Die bereits bearbeiteten sind schraffiert, bis auf die von heute, dazu bin ich nämlich noch nicht gekommen. Die noch verbleibenden Streifen sehen für mich alle ziemlich gleich aus. Ich weiß nicht mal, wonach wir suchen, außer dass es sich um ein von Menschenhand gemachtes Gebilde handelt, das irgendwo im Flussbett begraben ist. Nun verlangen Sie von mir, ich solle irgendwelchen Bereichen auf der Karte den Vorzug geben, und da frage ich Sie, wer sind denn hier die Guten und wer die Bösen? Die scheinen nämlich ihre Hüte nicht aufzuhaben.«
»Werden Sie nicht frech, Larson!«
»Tut mir leid, Mr Nguyen. Offenbar macht mir die Hitze zu schaffen. Außerdem ist alles sehr viel schwieriger, seit Newman verschwunden ist. Erst gestern kam da so ein Italiener vorbei und wollte wissen, was wir hier machen und wo unsere Genehmigung von der Stadt wäre. Zumindest glaube ich, dass er das gesagt hat, sein Englisch war nicht sehr gut. Ich hab ihm die abgesprochene Geschichte erzählt, aber er wollte die Papiere sehen. Ich weiß nicht, wo diese Genehmigungen sind. Hab sie nie gesehen. Und ich kann verdammt noch mal nicht effektiv mit solchen Leuten in einer Fremdsprache verhandeln. Dafür war Pete Newman da. Ich bin für die Elektronik zuständig.«
Es folgte ein kurzes Schweigen. »Ich komme morgen«, verkündete Martin Nguyen dann.
11
Die abgelegene Scheune aus Stein wurde offenbar schon seit Jahren nicht mehr benutzt, doch es roch immer noch stark nach Schafen und Dung, vermischt mit den jüngeren Ausdünstungen von Feuchtigkeit, Fäulnis und Schimmel. Der Boden bestand aus festgestampfter Erde, und die Fenster waren mit Terrakottaziegeln grob zugemauert. Nachdem Giorgio die massive Tür geschlossen und verriegelt hatte, drangen nur noch durch das Dach, dessen flache Steinplatten sich im Laufe der Jahre verschoben hatten, winzige Lichtstreifen in die Dunkelheit. Er schaltete seine Taschenlampe an und hakte sie in eine Schlaufe am Ende eines rostigen Drahts ein, der am zentralen Dachbalken befestigt war, so dass sie wie eine ganz normale Lampenhalterung herunterhing. Dann zog er sich in den tiefen Schatten am Rande des Gebäudes zurück.
Erst jetzt fiel Mantega auf, dass noch ein anderer Geruch im Raum war. Es war der Geruch von Angst, seiner eigenen Angst. Zwei Tage nach der Entführung von Peter Newman hatte ein Umschlag im Briefkasten von Mantegas Villa gelegen. Er war unfrankiert und nur mit seinem Namen adressiert. Darin befand sich ein in Großbuchstaben auf einer Schreibmaschine geschriebener Brief mit detaillierten
Weitere Kostenlose Bücher