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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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ihm bei der beinahe unmöglichen Aufgabe zu helfen, den banalen Gedanken zu artikulieren, der ihm gerade ins Gehirn gesprungen und sofort wieder entfallen war. Jede Äußerung wurde so zu einer Gemeinschaftsarbeit, wie das Aufbauen einer Scheune. Es war eine harte, ermüdende Arbeit, aber es hielt die Community zusammen. Italienisch hingegen war eher eine Sprache wie Martins verloren gegangenes Vietnamesisch: rein, klar und aussagekräftig. In keiner der beiden Sprachen gab es auch nur ein annäherndes Äquivalent für Sätze wie: »Also war ich irgendwie, so was, weißt du?«
    Martin hatte notwendigerweise gelernt, dieses Kauderwelsch zu sprechen, wenn es verlangt wurde, aber er verfügte außerdem über etliche andere Register, die er nach Bedarf einsetzen konnte. Am heutigen Tag hatte er einen solchen Bedarf viele Male stark gespürt, doch er hatte sich auf die Übersetzungen von Tom Newman verlassen müssen. Der Verlust seiner verbalen Schlagkraft war für Martin das größte Problem an diesem unglaublich langen Arbeitstag gewesen, der ihn erschöpft und verwirrt hatte, was dazu führte, dass er sich noch fremder fühlte als sonst, trotz der offenkundigen Ähnlichkeiten mit der Kultur seiner Heimat. Begonnen hatte es in aller Frühe mit der Besprechung auf dem Aeroscan-Gelände, dann kam die unangenehme Begegnung mit dem örtlichen Polizeichef, der sich als knallhart und intelligent erwiesen hatte, Eigenschaften, die Nguyen respektierte, aber lieber nicht bei Gegnern in einer Machtposition antraf.
    Nach dem Mittagessen, bei dem Tom und der Kellner um das simple Bestellen eines gottverdammten Essens ein Theater gemacht hatten, als handele es sich um das Finale einer Gala der drei Tenöre, hatte er Stunden in einem schmuddeligen und stickigen Büro mit diesem Notar verbracht, den Newman als Mittelsmann engagiert hatte, um den gegenwärtigen Stand der Dinge zu erfahren und herauszufinden, wie zum Teufel man in diesem Latino-Drecksnest irgendwas erledigt kriegte, wenn überhaupt jemals. Dabei war er die ganze Zeit auf Toms Übersetzungen von dem, was auf beiden Seiten gesagt wurde, angewiesen gewesen. Das Englisch des Jungen war sehr viel kultivierter als das von Jake, doch Martin konnte überhaupt nicht einschätzen, wie gut sein Italienisch war, und von daher auch nicht wissen, wie er, Martin Nguyen, rüberkam.
    Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war Tom auf dem Rückweg zum Hotel mit der Nachricht herausgerückt, dass sein Vater tot sei. Das war nun ein Grund für echte Trauer. Aus Martins Sicht gab es einen Ort und eine Zeit für Mord. Doch mitten in der Stealthbomber-Strategie, die er sich für dieses Projekt ausgedacht hatte, und das Opfer dazu noch jemand, der offiziell für Rapture Works arbeitete, das war einfach vollkommen unpassend. Besonders wütend machte ihn, dass seine saftige Leistungszulage von einem Haufen bäuerlicher bandidos, die mehr mit dem Schwanz als mit dem Kopf dachten, in Gefahr gebracht worden war. Da musste umgehend kräftig eingegriffen werden. Es war absolut erforderlich, dass Aeroscan weiterhin so unauffällig und reibungslos operieren konnte wie bisher, bis die Mission erfüllt war.
    Sein Handy erwachte blubbernd zum Leben. Martin wollte eigentlich gar nicht rangehen, aber er war ebenso wenig in der Lage, einen Klingelton zu ignorieren, wie eine Mutter das Schreien ihres Babys.
    »Yo.«
    »Hi, Jake.«
    »Wir haben Probleme, Mann.«
    »Kein Scheiß!«
    »Hat der Typ dich auch angerufen?«
    »Welcher Typ?«
    »Der große Meisterregisseur, den wir für den angeblichen Film engagiert haben.«
    »Aldobrandini? Mit dem hab ich gesprochen, gleich nachdem ich hier angekommen war.«
    »Ich red von Echtzeit. Wie, du weißt schon, jetzt.«
    »Ich bin völlig fertig, Jake. Hier steht alles Kopf. Was gibt’s denn?«
    »Aldo hat eine Nachricht hinterlassen. Irgendwie hat er rausgekriegt, dass die ganze Sache Beschiss ist. Hat’ne Menge Zeug über kreative Urheberrechte und so’n Scheiß geredet. Plus gedroht, ins Fernsehen zu gehen, um uns bloßzustellen und uns dann gerichtlich am Arsch zu kriegen. So ein Scheißpech!«
    Martin Nguyen brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Es war die längste Äußerung, die er je von Jake gehört hatte. Dann setzte er die übliche Wortkargheit seines Chefs gegen diesen ein.
    »Newman ist tot.«
    »Was?«
    »Ermordet. Die haben ihn wie eine Leiche angezogen, ihn gezwungen, zu irgendeinem alten Dorf zu laufen, und ihm dort den Kopf

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