Sterben Sie blo nicht im Sommer
Entwicklungen in unserem Gesundheitswesen. Warum ausgerechnet Deutschland dabei weltweit an der Spitze liegt, ist mir ein Rätsel. Vielleicht liegt es an Lobbyismus und Korruption, in Verbindung mit der zunehmenden Schere zwischen öffentlicher Armut und privatem Reichtum, aber das gibt es in anderen Ländern auch. Diese Entwicklung wird man nicht rückgängig machen können, man muss sie stoppen, sich dagegenstellen, wo immer man kann. Die Bürger sollten kommunale, öffentliche und kirchliche Krankenhäuser verteidigen wie ihr Eigentum.
Die Länder scheinen sich mit großer Erleichterung ihrer Kliniken zu entledigen. Es wird argumentiert, die öffentliche Hand könne sich diese hochdefizitären Betriebe einfach nicht mehr leisten. Die Privatwirtschaft dagegen macht ordentliche Gewinne genau mit diesen Betrieben. Was machen die anders?
Es ist der gesellschaftliche Grundkonsens, an den hier die Axt gelegt wird: Wollen wir ein solidarisches Gesundheitswesen als Teil unseres sozialen Systems behalten, in das wir einen Teil unseres Reichtums zum Wohle aller investieren, oder wollen wir zulassen, dass wir ein gewinnorientiertes Gesundheitswesen als Teil unseres Wirtschaftssystems zum Wohle weniger anstreben, die für ihre Investitionen mit einer Rendite rechnen können? So kommt es zu unterschiedlichen Sichtweisen, je nachdem, wo ich konzeptionell, konfessionell oder politisch dazugehöre.
Sollte es nicht eigentlich Teil der staatlichen Fürsorgepflicht sein, für seine Bürger das Renditedenken gerade in diesem Bereich einmal außen vor zu lassen, sie vor privatwirtschaftlichen Interessen zu schützen?
Das ist genau das Problem. Wenn Krankheit sich ›rechnet‹, ist das Gesundheitswesen eben kein Teil unseres Sozialsystems mehr. Der Nobelpreisträger Bernard Lown hat dazu einmal geschrieben: »Ein profitorientiertes Gesundheitswesen ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. In dem Augenblick, in dem Fürsorge dem Profit dient, hat sie die wahre Fürsorge verloren.« Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Die Privatisierungen werden einem schmackhaft gemacht mit dem Argument, sie würden den Wettbewerb fördern, also die Dinge zum Besseren wenden. Ist das auch Ihr Eindruck?
Die Antwort scheint mir einfacher, als man glaubt, der Rhön-Klinikkonzern macht es in Marburg und Gießen gerade vor: Wenn man dem Gemeinwohl nicht verpflichtet ist, kann man unrentable Abteilungen schließen, kann man angelernte Aushilfskräfte auch auf Intensivstationen arbeiten lassen, kann man weit untertariflich bezahlen und das Ganze einen Notlagen-Tarifvertrag nennen, kann man sich Millionen-Subventionen erschleichen, um später dann die Verträge zu brechen (Stichwort »Partikel-Therapiezentrum«), und vor allem kann man so viele qualifizierte (teure) Angestellte entlassen, bis die Bilanz der Shareholder endlich stimmt, egal was für eine Medizin dabei herauskommt. Wettbewerb hat in der Humanmedizin absolut nichts zu suchen. Wettbewerb kann es nur am Markt, bei Waren geben. Die Beziehung zwischen Arzt und Patient ist keine Warenbeziehung. Die Humanmedizin wird durch Wettbewerb zerstört. Wenn Sie einen Herzinfarkt haben, schauen Sie dann in die Gelben Seiten? Und wen nehmen Sie dann? Den mit der schönsten Anzeige? Nein, Sie rufen den Notarztwagen (eine fantastische moderne Einrichtung) und müssen blind darauf vertrauen, dass Ihnen jetzt Gutes geschehen wird, dass Ihr Leben im Mittelpunkt steht und keine kardiologischen Renditen. Erstaunlich: Da, wo Wettbewerb gut wäre für die Allgemeinheit, bei Pharmaka, bei Hilfsmitteln, bei medizinischen Geräten, da allerdings wird er durch Korruption, Preisabsprachen, mangelnde Kontrolle und Lobbyismus zerstört.
Eines der schwierigsten Dinge für mich und meine Familie war die Informationsbeschaffung. Ist das nicht überhaupt die größte Augenwischerei bei der Idee, Medizin den Gesetzen des freien Marktes zu unterwerfen: Der Patient kann doch letztlich gar nicht vergleichen, weil ihm die Informationen und das Wissen nicht zugänglich sind?
Dass Patient und Arzt sich auf einer Augenhöhe bewegen, ist schlicht Unfug. Es ist und bleibt ein Abhängigkeitsverhältnis. Der Mensch Patient muss sich in die Hand des Menschen Arzt begeben, mitunter bedingungslos. Der Patient ist in Not, er braucht Hilfe. Oft hat der Patient überhaupt keine Zeit, sich zu informieren. Etwas anders ist das bei chronischen Krankheiten. Hier gibt es zum Beispiel die Selbsthilfegruppen, die enorm weiterhelfen können. Aber
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