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Sterben Sie blo nicht im Sommer

Sterben Sie blo nicht im Sommer

Titel: Sterben Sie blo nicht im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kleis
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auch dabei gilt es vorsichtig zu bleiben: Interessengruppen wie zum Beispiel die Pharmaindustrie haben die Selbsthilfegruppen längst entdeckt, unterwandern und sponsern einige. Da ist dann wiederum das Internet sehr hilfreich, beispielsweise bei der Ärzteinitiative MEZIS oder der Buko-Pharmakampagne.
    Wir haben sehr oft erlebt, dass Ärzte kaum mit uns oder auch anderen Patienten sprechen. Dass sie beinahe erleichtert zu sein scheinen, wenn man sie nicht behelligt. Dass sie aber auch nicht zuhören. Kann man überhaupt als Arzt gut arbeiten, wenn man nicht zuhört, nicht reden will?
    Nein, da kann man natürlich nicht gut arbeiten, das haben Sie ja jetzt selbst erlebt. Deswegen sind alle Bestrebungen, die Ausbildung der Ärzte in Hinblick auf die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern, so wertvoll. Aber wer nicht kommunizieren will, den können Sie ausbilden, soviel Sie wollen, da wird nichts draus. Der schon zitierte Nobelpreisträger Bernard Lown hat dazu gesagt, dass es nicht nur die ärztliche Kunst gibt, sondern auch die Kunst des Patienten, die nämlich darin besteht, einen Arzt zu finden, dem man vertrauen kann und bei dem es einem leichtfällt, seine Klagen zu schildern.
    Ein Tipp, wie man die ärztliche Aufmerksamkeit auf sich zieht?
    Das kann ich eigentlich nicht beantworten. Ein Arzt ist eigentlich immer aufmerksam bei der Arbeit. Sonst kann er ja gar nicht arbeiten. Jetzt denken Sie vielleicht, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Das stimmt. Aber wenn Sie etwas tun müssen, um die Aufmerksamkeit eines Arztes auf sich zu ziehen, außer krank zu sein, dann ist alles schon verloren. Wechseln Sie den Arzt, suchen Sie weiter.
    Als Patient hat man oft fast das Bedürfnis, sich für die Umstände zu entschuldigen, die man da macht. Man verursacht ja dauernd so viele Kosten, mehr, als die Gesellschaft sich angeblich leisten kann. Gibt es die Kostenexplosion?
    Wenn man das wirklich verstehen will, muss man ein bisschen ausholen: Der Begriff der Kostenexplosion wurde von Heiner Geißler erfunden, der 1974 als Minister für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes Rheinland-Pfalz eine »vorausschauende Studie« über die finanzielle Entwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung ( GKV ) vorlegte. Spätestens aber nachdem Mitte 1975 eine mehrteilige Serie im Spiegel mit dem Titel »Krankheitskosten: Die Bombe tickt« erschienen war, dachte jeder: Wir steuern auf einen sozialpolitischen Abgrund zu, auf ein Finanzierungsfiasko. Und jeder von uns hat genau das in seinem Geldbeutel heftig zu spüren bekommen, schließlich ist der Beitragssatz zur GKV von 11 Prozent im Jahr 1980 auf inzwischen 15,5 Prozent im Jahr 2011 gestiegen. Nimmt man aber den Blick wieder aus dem individuellen Geldbeutel heraus und richtet ihn auf das Gesamte des Systems unserer gesetzlichen Krankenversicherung, dann kann man doch als Erstes feststellen: Es gibt sie noch, die GKV . Keine Bombe ist explodiert, nichts ist an die Wand gefahren oder in den Abgrund gestürzt, und das nach 40 Jahren Kostenexplosion. Wie das? Die Antwort lautet in aller Kürze: Die These von der Kostenexplosion lässt sich bei einer genauen Analyse nicht halten. Es handelt sich um ein Propagandamärchen. Der Anteil der Ausgaben für das Gesundheitswesen am Bruttoinlandsprodukt beträgt seit Jahrzehnten konstant 10 bis 11 Prozent: keinerlei Kostenexplosion, nirgends. Die Beitragseinnahmen allerdings hinken dem hinterher, sie können immer weniger mithalten. Wenn also immer tiefer in unseren Geldbeutel gegriffen wird, dann nicht wegen explodierender Kosten, sondern wegen zusammenbrechender Einnahmen, das ist das ganze Geheimnis. Wir sind in unserem Land immerhin durch eine Phase von mehr als 5 Millionen Arbeitslosen hindurchgegangen, ein gigantischer Verlust an Lohnsumme und Versicherungsbeiträgen. Und wenn die Arbeitslosenzahlen heute auch besser aussehen, dann hat die GKV dennoch nichts davon, denn diese Zahlen sind nicht nur durch Millionen von sogenannten ›prekären‹ Arbeitsverhältnissen, von Ein-Euro- oder anderen Minijobs enorm geschönt, solche Jobs bringen auch keinen Euro in die Kasse der Krankenkassen, sie sind nicht sozialversicherungspflichtig. Außerdem gibt es kein Land in Europa, in dem die Löhne in den letzten zehn Jahren weniger gestiegen sind als in Deutschland: Auch dieses Geld fehlt also in der Kasse der GKV . Was soll also das permanente Geschwätz von der Kostenexplosion, ohne das keine Talkshow über das Gesundheitswesen auskommt,

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