Sterbensangst (German Edition)
dagegen tun. Dieses Verbrechen ist unverzeihlich. Es tröstet ihn ein wenig, dass er, wenn er das Böse verfolgt, ja auf der Seite des Guten stehen muss.
Kapitel 8
Ungefähr drei Wagenlängen entfernt, auf der anderen Seite des Parkplatzes, steht Trish Pharaoh über die Motorhaube ihres silbernen Mercedes-Zweisitzers gebeugt. Sie hat die Ellbogen aufgestützt und das Gesicht in die Hände gelegt, sieht aus wie ein junges Mädchen beim Fernsehen. Ihre Miene ist zu einem spöttischen Vorwurf verzogen, und trotz des schlechten Wetters sitzt ihr Make-up perfekt.
»Steigen Sie ein«, sagt sie. Sie öffnet ihm die Beifahrertür und geht dann herum zur Fahrerseite. Sie lässt sich hinters Lenkrad gleiten. Ein strammer Schenkel und gebräunte Waden, die in engen Stiefeln verschwinden, blitzen auf.
Einen Moment lang weiß McAvoy nicht, was er tun soll. Was will sie hier? Hat sie ihm nachspioniert? Wird man ihn von dem Fall abziehen? Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht und geht so würdevoll er kann auf sie zu.
Er zwängt sich in den Mercedes, und der Duft ihres teuren Parfüms umfängt ihn in einer erstickenden Umarmung. Es riecht nach Mandarinen und Lavendel.
»Bequem?«, fragt sie, aber er hört keine Häme heraus.
Er sieht sein Spiegelbild im dunklen Glas der Fahrertür und merkt, wie lächerlich er eingeklemmt in diesem winzigen Auto wirkt.
»Ich habe Ihre Nachricht bekommen«, meint sie und klappt den Schminkspiegel über dem Lenkrad herunter, um ihre getuschten Wimpern zu überprüfen. »Habe Helen Tremberg angerufen. Sie sagte, dass Sie hier eine Informantin treffen. Ich dachte, ich schließe mich an.«
McAvoy hat Mühe, nicht hörbar aufzuatmen. Erleichterung durchströmt ihn.
»Ich, äh, ich habe das Gespräch gerade beendet, um genau zu sein, Ma’am«, meint er entschuldigend. »Aber sie wartet da drinnen auf ein Jazzkonzert und ist bestimmt noch da …«
Sie wedelt mit der Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und zuckt die Achseln. »Netter Akzent«, meint sie halb zu sich selbst. »Ich war selbst eine Zeitlang in Edinburgh stationiert, wissen Sie. Im Rahmen einer Best-Practice-Initiative oder wie das heißt. Mein damaliger Chef hatte die Schnapsidee, eine Toleranzzone für Prostitution einzuführen. Kam aber nie aus den Startlöchern, das Projekt. Ist jetzt vielleicht zehn Jahre her. Ich war Detective Sergeant. War das noch zu Ihrer Zeit?«
McAvoy kratzt sich an der Stirn und tut so, als würde er nachdenken. »Ähm …«
»Mein Sohn macht das genauso«, lacht Pharaoh. »Oder er streicht sich übers Kinn. Richtig süß.«
Wieder steigt heftige Röte in McAvoys Wangen auf. »Wie alt ist er denn?«
»Zehn«, erwidert sie und löst den Blick vom Spiegel. Sie starrt ins Leere.
»Die schreckliche Teenagerzeit liegt noch vor ihm«, sagt Pharaoh, zupft einen Fussel von ihren Nylonstrümpfen und pustet ihn mit gespitzten, feuchten Lippen von der Handfläche. »Bei allem, was wir in unserem Beruf erleben, wird er es mit mir nicht leicht haben, fürchte ich. Ich kann’s kaum erwarten …«
»Ich bin sicher, so schlimm wird es nicht werden«, antwortet McAvoy. Er weiß nicht, was er sonst sagen soll. Er hat keine Ahnung, ob sie einen Ehemann an ihrer Seite hat. Aber er bewundert sie für die Art, wie sie Privatleben und Karriere unter einen Hut bringt. »Mein Junge ist noch ein paar Jahre von all dem entfernt.«
Sie wendet den Kopf und sieht ihn an. »Und ein zweites Kind ist unterwegs, nicht wahr?«
Er muss unwillkürlich lächeln. »Noch zwei Monate«, sagt er. »Roisin hat mehr zugenommen als bei Fin, aber die Schwangerschaft war diesmal leichter. Die erste war die reine Hölle …« Er beißt sich auf die Zunge, sieht eine Falle vor sich lauern. »Keine Sorge, ich werde keinen Elternurlaub beantragen, Ma’am. Bestimmt nicht. Sollte sich diese Ermittlung länger hinziehen, können Sie mit mir rechnen, solange Sie mich brauchen.«
Sie verdreht die Augen und schüttelt den Kopf.
»Hector«, sagt sie, dann lacht sie leise auf. »Tut mir leid. Es heißt Aector, nicht wahr? Mit so einer Art Hüsteln in der Mitte? Ich bin nicht sicher, ob ich genügend Spucke habe, es jeden Tag auf gälische Art auszusprechen. Können Sie sich mit Hector abfinden?«
»Kein Problem«, erwidert er.
»Hector, wenn Sie keinen Elternurlaub nehmen, drehe ich Ihnen den gottverdammten Hals um. Sie haben Anspruch darauf, und Sie nehmen ihn.«
»Aber …«
»Kein Aber, Sie Blödmann.« Wieder lacht sie auf.
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