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Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
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Wie gesagt, sie hatte Talent. Ich hätte sie gerne weiter unterrichtet, aber an der Schule war keine feste Stelle frei. Wir kamen schnell ins Gespräch. Ich habe als Freiwillige in Sierra Leone gearbeitet. Schulen gebaut, ein bisschen Unterricht gegeben. Ich war an einigen der Orte gewesen, die sie auch kannte. Das reichte aus, um uns zu Freundinnen werden zu lassen.«
    McAvoy legt den Kopf schief. Ein vierzehn Jahre altes Mädchen und eine Frau, die vielleicht zwei Jahrzehnte älter ist?
    »Sie hatte natürlich Freundinnen in ihrem Alter«, sagt Vicky, als könnte sie seine Gedanken lesen. Sie malt mit ihrem leeren Glas langsam Kreise auf die Tischplatte. »Sie war ein ganz normales junges Mädchen, wenn es so etwas überhaupt gibt. Sie liebte Popmusik. Sah sich Hautnah und Big Brother an wie alle anderen auch. Ich war nie in ihrem Zimmer, aber ich zweifle nicht daran, dass sie ein paar Take-That-Poster an der Wand hängen hatte. Es war das Schreiben, was sie aus der Masse heraushob. Das und ihr Glaube, obwohl wir darüber nie richtig gesprochen haben. Ich persönlich neige nicht besonders in diese Richtung. Wenn in offiziellen Formularen nach meiner Religion gefragt wird, schreibe ich: ›Wesen des Lichts‹. Entweder das oder ›Jedi‹.«
    McAvoy lächelt und trinkt ohne nachzudenken einen großen Schluck von seinem Drink. Eine angenehme Wärme breitet sich in ihm aus.
    »Ich lasse das Feld einfach leer.«
    »Auch kein Gläubiger?«
    »Geht einfach niemanden etwas an«, meint er und hofft, dass sie es dabei belassen wird.
    »Sie haben wahrscheinlich recht. Daphne war jedenfalls alles andere als missionarisch. Sie trug ein Kruzifix, aber sie war in ihrer Schuluniform in ziemlich wörtlichem Sinne ein zugeknöpftes Mädchen. Man kann ihr nicht vorwerfen, dass sie mit ihrem Glauben hausieren ging. Wir kamen nur miteinander ins Gespräch, weil ich von einigen ihrer Antworten im Unterricht fasziniert war. Das muss ungefähr vor einem Jahr gewesen sein. Ich hatte eine dreiwöchige Vertretung an ihrer Schule. Wir lasen Macbeth .«
    McAvoy legt die Stirn in nachdenkliche Falten und versucht, sich an den Abschnitt zu erinnern, den er für die Schulaufführung auswendig gelernt hatte. »Oft, uns in eignes Elend zu verlocken, erzählen Wahrheit uns des Dunkels Schergen, verlocken erst durch schuldlos Spielwerk, um vernichtend uns im Letzten zu betrügen.« Er verstummt verlegen.
    »Ich bin beeindruckt«, sagt Vicky, und ihr Lächeln bringt ihr Gesicht zum Leuchten. McAvoy ist überwältigt von der Verwandlung. Sie ist einfach cool genug, sich allein in einen Jazzclub zu setzen, aber keineswegs zu farblos, um einen Begleiter zu finden.
    »Das habe ich mit dreizehn gelernt«, meint McAvoy. »Ich musste es vor einem Raum voller Eltern und Lehrer vortragen. Es schaudert mich heute noch, wenn ich daran denke. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder so viel Angst hatte.«
    »Wirklich? Das hat mir nie etwas ausgemacht«, sagt sie, und die Vernehmung scheint sich zu einem Geplauder zwischen Freunden zu entwickeln. »Als ich ein Kind war, mussten sie mich mit Gewalt von der Bühne zerren. Ich war nie der schüchterne Typ.«
    »Darum beneide ich Sie«, meint McAvoy ernsthaft.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass man als Polizist schüchtern sein kann«, sagt sie, und um ihre plötzlich hübschen Augen bilden sich Lachfältchen.
    »Man muss einfach lernen, sich zu verstellen«, sagt er achselzuckend. »Wie mache ich mich dabei?«
    »Mich konnten Sie täuschen«, flüstert sie verschwörerisch. »Aber ich sag’s nicht weiter.«
    McAvoy fragt sich, ob er die Sache hier auch richtig anpackt.
    »Also«, sagt er, um wieder zum Thema zurückzukommen. »Macbeth?«
    »Tja, langer Rede kurzer Sinn, ich stellte der Klasse einige Fragen. Über das Böse. Ich wollte wissen, welche der Figuren in dem Stück man als wahrhaft gut oder wahrhaft böse bezeichnen könnte. Die anderen Kinder nannten alle Banquo und Macduff als Helden. Daphne war anderer Ansicht. Für sie lagen alle irgendwo in der Mitte. Sie meinte, man könne nicht ausschließlich das eine oder das andere sein. Dass gute Menschen böse Dinge täten. Und böse Menschen auch zur Güte fähig wären. Dass kein Mensch jemals ausschließlich gut oder böse sei. Damals war sie höchstens zwölf oder dreizehn, und die Art, wie sie es sagte, faszinierte mich. Ich bat sie, nach der Stunde noch zu bleiben, und so kamen wir ins Gespräch. Mein Vertrag mit der Schule wurde schließlich auf sechs

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