Sterbensschön: Thriller -
» Er war nur zufällig anwesend. Abgesehen davon lege ich es nicht als Beweismittel bei Gericht vor.«
»Ich habe von mir gesprochen«, sagte Archie. »Ich kann das Geständnis nicht verwenden.«
Susan blinzelte ein paar Mal, als sie es kapiert hatte. »Oh …«
Er stand auf und ging um Susan und seinen Schreibtisch herum zu seinem Stuhl. »Sie werden ein paar Tage warten müssen, bis Sie etwas damit anstellen«, sagte er und setzte sich.
Sie würde ohnehin ein paar Tage brauchen, bis sie den Artikel geschrieben hatte. »Okay.« Sie runzelte die Stirn, als wäre ihr gerade etwas eingefallen, dann fragte sie so beiläufig wie möglich: »Wer ist Ryan Motley?«
Archie streckte die Hand aus und rückte das gerahmte Foto seiner Familie auf dem Schreibtisch zurecht. Susan kannte das Bild: Debbie, die beiden dunkelhaarigen, lächelnden Kinder, von Archie weit und breit nichts zu sehen. Er zuckte mit den Achseln, als sagte ihm der Name nichts. »Ein Produkt von Gretchens Fantasie.«
21
Bliss wartete im Wohnzimmer, als Susan nach Hause kam, die Füße auf der Kabeltrommel, die sie zum Kaffeetisch umfunktioniert hatten, ein Marmeladenglas voll Rotwein in der Hand und splitterfasernackt. Ihre ellbogenlangen, wasserstoffblonden Rastalocken hatte sie wie ein riesiges Vogelnest auf dem Kopf zusammengedreht. Sie ging auf die sechzig zu, aber von dreißig Jahren Yoga war ihr Körper schlank, und der Nacktbadestrand auf Sauvie Island hatte ihr eine spätsommerliche Bräune beschert. Bliss klemmte ihr Weinglas zwischen den Beinen fest, damit sie das Buch umblättern konnte, in dem sie las, und Susan erhaschte einen Blick auf etwas, das sie sicherlich auf Jahre verfolgen würde: die künstlerisch gestaltete Schambehaarung ihrer Mutter.
»Was soll das da unten sein?«, fragte Susan und fuchtelte in Richtung der entsprechenden Körperregion ihrer Mutter. Irgendwer in dem Salon, in dem Bliss arbeitete, machte im Heimbetrieb neuerdings »innovatives« Bikini-Waxing, und Bliss, die bis vor ein paar Jahren auf ihren ungezähmten, salattellergroßen Siebzigerjahre-Urwald stolz gewesen war, begeisterte sich nun für künstlerisches Beschneiden.
»Das ist das Profil von Mick Jagger«, sagte Bliss.
Manchmal wünschte Susan, sie wäre als Kind von Anhängern der Pfingstbewegung zur Welt gekommen. »Natürlich«, sagte sie.
Susans Laptop lag auf dem Kaffeetisch, unter Bliss’ Füßen. »Entschuldige«, sagte Susan und kniete davor nieder. Ihre Mutter hob die Füße, und Susan schob den Computer zu einer freien Stelle zwischen einer tibetischen Schädeltasse voll Walnüssen und einem zehn Jahre alten Whole Earth Catalog.
Wieder bei ihrer Mutter zu wohnen war nur vorübergehend gewesen – bis Susan ihren Job verloren hatte. Jetzt, mit ihrem freiberuflichen Einkommen, waren ihre Möglichkeiten beschränkt.
Sie zog den Stick aus ihrer Handtasche, klappte den Laptop auf und steckte den Stick in die USB -Schnittstelle.
»Was ist das?«, fragte Bliss.
»Musst du nackt sein?«, sagte Susan. »Ich meine, was ist, wenn der UPS-Fahrer kommt?«
Bliss fächelte sich mit der Hand Luft zu. »Es ist heiß.«
Tatsächlich war das viktorianische Haus, in dem Susan aufgewachsen war, im Sommer relativ erträglich. Solange sie daran dachten, die Fenster tagsüber geschlossen und die Vorhänge zugezogen zu lassen und nachts dann die Fenster – zumindest die, die sie nicht mit Farbe zugeklebt hatten – zu öffnen. Sicher, bis spätestens August waren alle Zimmerpflanzen dann eingegangen, und die offenen Fenster zogen Fliegen, Motten und gelegentlich einen panischen Vogel an, aber es funktionierte. Unerträglich heiß war es im Haus für vielleicht eine Woche im Jahr. Leider war nun genau diese Woche.
»Besorg uns ein Haus mit Klimaanlage«, sagte Bliss. »Wenn du solche Skrupel hast.«
Susan hörte sie kaum.
Der USB -Stick enthielt sieben Dateien, allesamt PDF s.
Sieben Dateien mit immer dem gleichen Namen.
Ryan Motley1
Ryan Motley2
Ryan Motley3
Etc.
»Verdammt«, sagte Susan leise.
Worauf hatte sie gehofft? Familienfotos. Ein Roman, an dem Archie heimlich arbeitete? – Sie hatte auf den Roman gehofft.
Bliss nahm die Füße vom Tisch und beugte sich vor, sodass sie Schulter an Schulter mit Susan war. Sie roch nach Patschuli, Eukalyptusöl und Rotwein, garniert mit einem schwachen Hauch Marihuana.
»Wer ist Ryan Motley?«, fragte sie.
Susan öffnete ihren Webbrowser und gab Ryan Motley im Suchfeld ein. Sie bekam mehr als elftausend
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