Sterbensschön: Thriller -
Sarg sah die rechtwinklige Grube besonders tief und dunkel aus. Er ließ sich hineingleiten. Es ging weiter hinunter, als er dachte, und er landete in der Hocke.
»Was machst du?«, fragte Henry.
»Lass mir einen Moment Zeit«, sagte Archie.
Hier unten fühlte es sich fünf Grad kühler an, und der erdig-feuchte Geruch brannte in seinem Mund. Er richtete sich auf. Sein Scheitel war ziemlich genau auf Höhe des Erdbodens draußen. Wenn er den Kopf in den Nacken legte, sah er Henrys Füße.
»Huffington«, sagte Archie. »Werfen Sie mir eine Taschenlampe herunter.«
Sie kniete nieder und reichte ihm eine lange schwarze Stablampe. Archie ergriff sie, schaltete sie an und ließ sie systematisch über den Boden des Grabs wandern.
»Sehen Sie etwas?«, fragte Huffington von oben.
Archie antwortete nicht. Er war vornübergebeugt und konzentrierte sich auf die Erde zu seinen Füßen. Hitze, Sonne und Himmel fühlten sich im Moment sehr weit weg an. Würmer wanden sich weich und rosa in der Erde. Winzige schwarze Käfer krabbelten über seine Schuhe. Archie merkte sich im Geist vor, in seinem Testament unbedingt eine Feuerbestattung anzuordnen. Dann fiel sein Licht auf den Rand von etwas strahlend Weißem. Er sah genauer nach. Es war die Ecke eines halb von Erde bedeckten Stücks Papier. Archie kauerte nieder, strich die Erde beiseite und zog das Papier dann vorsichtig heraus. Es hatte etwa die Größe einer Karteikarte und war von einem größeren Blatt abgerissen worden.
»Ich brauche einen Beweismittelbeutel«, rief er.
Huffington reichte ihm einen hinunter, er ließ das Papier hineingleiten und verschloss ihn. Dann gab er den Beutel in eine ausgestreckte Hand, worauf zwei weitere Hände nach unten gestreckt wurden, und schließlich zogen Henry und Jose Archie unsanft und unter viel Stöhnen aus dem Grab.
Archie richtete sich auf und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne. Sein Anzug war schmutzig, er hatte Erde im Haar und Steinchen in den Schuhen.
Huffington hielt den Beweismittelbeutel in die Höhe und las, was auf dem Papier geschrieben stand.
»›Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war‹.«
»Genesis 6,5«, sagte Lewis.
Archie langte nach dem Beweismittelbeutel und studierte die Notiz. Sie war mit sorgfältigen Druckbuchstaben von Hand geschrieben, schwer zu analysieren oder zuzuordnen. Der Mann hatte einen schwarzen Filzstift benutzt.
Unter das Bibelzitat hatte er mit demselben schwarzen Stift ein Herz gemalt.
Archie lief es kalt über den Rücken.
Reverend Lewis stand am Kopfende des Sargs, die Hand leicht daraufgelegt, als würde er mit der Toten kommunizieren.
»Gretchen Stevens«, sagte Archie.
Der Reverend hob den Blick zu ihm.
»Sie war ein Pflegekind, das die Beatons kurz vor James Beatons Ermordung aufgenommen haben. Läutet da was bei Ihnen?«
Huffington trat neben den Geistlichen und legte ihm die Hand freundlich auf den Arm. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, Reverend, sollten Sie es tun.«
»Es ist lange her«, sagte Lewis. »Sie war nicht lange bei ihnen.«
»Sie haben sie kennengelernt?«
»Sie werden sie wohl zur Kirche mitgebracht haben«, sagte der Reverend.
»Haben sie sie mitgebracht?«, fragte Huffington.
Reverend Lewis sah die Polizistin an. »Ja.«
»Warum ist Ihnen das nicht eingefallen, als ich Sie gestern fragte, ob Sie sich an irgendwelche Mädchen im Teenageralter bei den Beatons erinnern?«, fragte Archie.
»Ich kannte sie kaum«, sagte der Reverend.
Der Reverend erzählte ihnen nicht alles, das wussten alle. Aber alles, was bei seelsorgerischer Beratung zur Sprache kam, war geschützt. Welche Geheimnisse der Geistliche auch kannte, es lag an ihm, sie weiterzugeben.
»Was ist dieser Familie widerfahren?«, fragte Archie.
Reverend Lewis sah zu dem Sarg, dann blickte er zu Huffington, ehe seine blauen Augen Archie fixierten. »Sie wurde von Gott auf die Probe gestellt.«
Archie betrachtete den Zettel in seiner Hand.
Beaton hatte ihn irgendwann in der Nacht in das Grab gelegt. Er hatte geweint, als er sie tötete. Er wäre gern bei ihrem Begräbnis gewesen. Stattdessen hatte er ein Bibelzitat auf einen Fetzen Papier gekritzelt.
»Er wusste, dass wir hier sein würden«, sagte Archie.
»Er durfte es nicht riskieren, sich erwischen zu lassen, nicht einmal für Mama«, sagte Huffington.
Wenn sie alle hier waren, wo war er dann?
Archie strich die
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