Sterbenswort: Thriller (German Edition)
von den alten Bildern aus Vorkriegszeiten. Hier herrschte Leben. Verkehr. Trubel. Business und Show.«
»Glaubst du im Ernst, dass sie das hier wiedererwecken können?«
»Den Versuch ist es allemal wert. Also ich finde die Bebauung sehr gelungen.«
Kathrin drehte sich um.
»Potsdamer Platz Arkaden«, las sie laut vor. »Wollen wir sie uns ansehen?«
Diese Frage schien Amelies Laune zu heben: »Oh ja!«
Gemeinsam schlenderten sie hinüber, traten durch die Glastüren und blieben direkt dahinter stehen.
Mit offenen Mündern starrten sie in die Shopping Mall.
»Wow!«, sagte Kathrin. »Sieht aus wie in einer Kathedrale.«
»Ganz schön viele Geschäfte«, meinte Amelie.
Ein Mann rempelte Kathrin an und entschuldigte sich.
Daraufhin verließ sie den Eingangsbereich, und Amelie folgte ihr.
»Alles, was das Herz begehrt«, sagte Amelie und eilte zum Schaufenster des nächstgelegenen Schuhgeschäfts.
Und noch ehe Kathrin bei ihr war, ging Amelie bereits hinein.
Sieben Paar Schuhe probierte sie an, für das achte entschied sie sich endlich. Kathrin merkte ihr an, wie glücklich sie über den Erwerb war.
Sie selbst war nicht in Kauflaune. Sie wollte sich lieber einen ersten Eindruck von der neuen Anlage verschaffen. Außerdem herrschte Ebbe auf ihrem Girokonto.
Unmittelbar neben dem Schuhladen hatte sich ein Schmuckgeschäft eingemietet.
Erneut blieb Amelie stehen.
In der Auslage entdeckten die beiden sowohl Modeschmuck als auch Hochwertiges: Ohrringe, Halsketten, Fingerringe. Auf Letzteren ruhte Amelies Blick sehr lange.
»Wollen wir weiter?« Kathrin wurde ungeduldig.
»Freundschaftsringe«, sagte Amelie.
»Wie?«
»Ich wollte Erik schon lange einen Freundschaftsring schenken.«
»Du und deine Romantik. Auf so eine Idee bin ich für Heinrich und mich noch nie gekommen.«
Kathrin sah Amelie an, dass sie zu einer Entscheidung gelangt war.
»Ich werde einen kaufen. Als Liebesbeweis. Komm.«
Drinnen begrüßte eine etwa gleichaltrige Verkäuferin die beiden.
Sie zeigte großes Verständnis für Amelies Wunsch, streckte ihre linke Hand nach oben und wackelte mit ihrem Ringfinger.
»Ich trage selbst einen«, sagte sie. »Und mein Freund ebenfalls. Er hat sich unglaublich darüber gefreut.«
»Siehst du, Kathrin!«
Amelie ließ sich den Ring der Verkäuferin genauer zeigen, doch er gefiel ihr nicht. Sie suchte eher nach etwas Schlichtem. Ihre Wahl fiel schließlich auf einen Silberring ohne jegliche Schnörkel.
»Wissen Sie bereits, was Sie eingravieren möchten?«
»Ja«, antwortete Amelie lächelnd. »Unsere beiden Namen: ›Amelie‹ und ›Erik‹; dazwischen ein Herz.«
10
Heute
I ch habe Schmerzen beim Schlucken«, sagte Peter Köhler mit nasaler Stimme.
Kathrin musterte ihren Patienten. Er wirkte blass.
Ihre Gedanken kehrten zurück zu dem Ring in ihrer Schreibtischschublade.
Seit sie ihn Mia gestern Abend abgenommen hatte, führte sie ihn mit sich. Während der Schlafenszeit hatte er zwischen Wasserglas, Abendlektüre und Lampe auf ihrem Nachttisch gelegen. Zur Toilette hatte sie ihn mitgenommen, zum Frühstückstisch und auch zum Kindergarten, wo sie ihre Tochter abgegeben hatte.
Er ruhte entweder in ihrer Faust oder aber in ihrer Handtasche. Als wäre er magisch an sie gebunden, hatte sie den Drang, ihn ständig in ihrer Nähe haben zu müssen. Immer wieder vergewisserte sie sich, dass er tatsächlich existierte.
Doch ihn überzustreifen, das getraute sie sich nicht.
Sie hatte Angst, dies könnte die Gespenster der Vergangenheit rufen. Die Nazgûl kamen ihr in den Sinn, die Ringgeister aus Tolkiens Der Herr der Ringe .
Im Moment wusste sie, wo sich ihr eigener Schicksalsring befand. Dennoch überprüfte sie, ob er tatsächlich noch in dem kleinen Fach neben den Kugelschreibern lag.
»Frau Doktor?«
»Oh, Entschuldigung.«
Rasch schloss sie die Schublade wieder.
Sie widmete sich dem jungen Mann.
»Und die Nase läuft auch. Ständig muss ich mich schneuzen.«
Als müsse er es der Ärztin bestätigen, sog Peter Köhler geräuschvoll Luft ein.
Er verschluckte sich und hustete.
»Ich würde gerne in Ihren Rachenraum sehen.«
Sie befreite einen Holzspatel aus seiner Papierverpackung und näherte sich ihrem Patienten.
Ohne dass sie ihn darum gebeten hatte, gab Köhler ein lautes »Aaaaah« von sich.
Behutsam steckte sie ihrem Gegenüber den Spatel in den Mund und drückte die Zunge nach unten.
»Leicht gerötet«, konstatierte sie.
Dann fiel ihr der Ehering an der Hand des
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