Sterbenswort: Thriller (German Edition)
atmete tief durch.
»Mir ist nun klar, dass er nicht lockerlassen wird. Er wird immer weitermachen. Er wird uns vor sich herjagen. Er legt es exakt darauf an, uns in den Wahnsinn zu treiben.«
Als sie an einer Ampel anhielt, drehte sie sich zu Amelie und sah ihr direkt in die Augen.
»Wir können das nicht zulassen, Amelie. Wir können uns unsere Leben nicht zerstören lassen.«
Amelie sagte nichts.
»Ich habe so gut wie gar nicht geschlafen in der letzten Nacht. Habe alles wieder und wieder hin- und hergewälzt. Heute Morgen habe ich dann bei der Polizei angerufen.«
Kathrin bemerkte, dass Amelie zusammenzuckte.
»Du hast was? Aber wenn er nicht möchte, dass wir seine Eltern hineinziehen, was wird er dann machen, wenn wir mit der Polizei sprechen?«
»Ich habe keine Anzeige erstattet. Wir hatten doch bei Heinrich kurz über Kron gesprochen, den Ermittler von damals.«
»Ja.«
»Ich wollte ausschließen, dass er in die Sache verwickelt ist. Und er ist es nicht.«
»Bist du dir sicher?«
»Ich habe mich als eine Freundin von früher ausgegeben und erzählt, dass ich ein Klassentreffen organisieren möchte. Das Letzte, das ich von meinem alten Schulfreund Theo Kron weiß, sagte ich, ist, dass er bei der Kriminalpolizei arbeitete.«
»Und?«
»Ich hatte Glück. Der Polizist, mit dem ich sprach, kannte ihn und war auch sehr redselig, als ich ihm von dem Klassentreffen erzählte, bei dem der liebe Theo doch unbedingt dabei sein müsse. Kron kann nicht hinter der Sache stecken, Amelie.«
»Warum?«
»Er ist tot. Keine vier Wochen, nachdem er pensioniert wurde, hat er einen Herzinfarkt erlitten. Seine Frau wohnt nun allein in dem Häuschen auf Mallorca, das sie sich im Laufe des Lebens zusammengespart hatten.«
Bei langsamer Fahrt betrachtete Kathrin die Nummern der Häuser, die sie passierten.
»Dann habe ich Heinrich angerufen. Ich hätte ihn ebenfalls gerne dabeigehabt.«
»Und warum begleitet er uns nicht?«
»Er ist ein einziges Nervenbündel. Ich glaube, es ist besser, wenn wir nur zu zweit hineingehen.«
Schließlich entdeckte sie, wonach sie Ausschau gehalten hatte.
»Hier ist es!«
Exakt vor dem Hauseingang fand sie einen Parkplatz.
»Und du willst nun tatsächlich zu diesem ›Medium‹?«
»Ich bin weit davon entfernt, solchen Humbug zu glauben. Aber: Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Und wir müssen etwas tun, Amelie. Ich kann nicht untätig zusehen, wie jemand versucht, mich zu zerstören. Vielleicht bringt es uns ja doch irgendwie weiter.«
Sie standen vor einer Mietskaserne, wie sie in der Gründerzeit in einer Vielzahl entstanden waren. Heute, mehr als hundert Jahre später, war es in Mode gekommen, sie in Pastelltönen anzustreichen. Die Fassade erstrahlte in einem hellen Blau, das Kathrin an ein Bonbon erinnerte.
Auf einem der Namensschilder entdeckte sie die Initialen ›T. L.‹ und drückte den dazugehörigen Klingelknopf.
»Ja, bitte?«, ertönte eine weibliche Stimme aus der Türsprechanlage.
»Kathrin Voss, wir hatten vorhin telefoniert.«
»Fünfter Stock, direkt unterm Dach.«
Ein Summen ertönte, und die beiden Frauen traten ins Treppenhaus.
In viele Altbauten Berlins war nachträglich ein Fahrstuhl eingebaut worden. In diesen nicht. So quälten sie sich die Stufen nach oben.
Im Türrahmen erwartete sie bereits eine Frau, die hinter einer dicken Brille die Augen zusammenkniff.
Ihre Freundin Sara hatte Kathrin bereits vorgewarnt, dass sie mit keinerlei Hokuspokus rechnen solle. Dennoch war sie überrascht, von einer völlig normal wirkenden älteren Dame begrüßt zu werden.
Thora Lumina bat ihre Besucher herein, und Kathrin ertappte sich dabei, dass sie die Frau, die sie noch bis vor wenigen Sekunden in Gedanken als Scharlatanin eingeordnet hatte, nun als durchaus sympathisch empfand.
Ihre Gastgeberin führte sie in einen üppig wuchernden Wintergarten, dessen Pflanzenvielfalt und Ausblick über die Stadt den mühseligen Aufstieg in die fünfte Etage mehr als wettmachte.
»Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit genommen haben.«
»Sie hörten sich dringlich und verzweifelt an.«
Thora bot ihnen Plätze an einem kleinen runden Tisch an, dann verschwand sie, nur um kurz darauf mit einem Tablett zurückzukehren, auf dem eine Teekanne und drei Tassen standen. Kathrin und Amelie nahmen den Tee dankend an.
Mit ihren durch die Brillengläser vergrößerten Augen musterte Thora ihre Besucherinnen, doch Kathrin empfand es
Weitere Kostenlose Bücher