Sterbenswort: Thriller (German Edition)
hat, wie Erik wirklich ums Leben kam, dann wissen Thomas’ Eltern bereits Bescheid – und auch die Polizei.«
»Aber … meine Karriere.«
»Du hast einen Menschen getötet.«
»Es war ein Unfall.«
»Das mag sein, ja.«
»Wem ist damit geholfen, wenn die Sache nach all den Jahren ans Licht kommt?«
»Erik? Der Gerechtigkeit? Ich weiß es nicht.«
»Es macht Erik nicht wieder lebendig.«
»Vielleicht muss es dies gar nicht.«
»Was?«
»Vielleicht war er doch nicht tot.«
Kathrin dachte an die unheimliche Aussage Thora Luminas.
»Wir halten es für unmöglich. Aber es gibt so viele Indizien. Die E-Mails an dich. Der Ring. Die DVD s, die du und ich erhalten haben. Die Aussage von dieser Thora Lumina.«
»Du hast auch eine DVD erhalten? Und was ist mit dieser Thora Dingsbums?«
Ein Stau wegen eines Verkehrsunfalls hielt die beiden beinahe eine halbe Stunde lang auf.
Kathrin berichtete ihm in der Zeit von den beiden Ereignissen.
Heinrich benötigte mehrere Minuten, um das Gehörte zu verarbeiten.
»Und was hat das nun mit dem Anruf von Thomas’ Eltern zu tun?«
»Thomas hat sich umgebracht. Wäre ein merkwürdiger Zufall, wenn dies nichts mit uns zu tun hätte.«
»Wie meinst du das?«
»Überleg doch: Erik bedroht sowohl Amelie als auch dich und mich. Vermutlich ist es ihm gelungen, Thomas ausfindig zu machen und ihn ebenfalls unter Druck zu setzen.«
»Du meinst, er hat ihn in den Selbstmord getrieben?«
»Das ist meine Vermutung. Sicher werden wir es erst wissen, wenn wir den Inhalt des Abschiedsbriefs kennen.«
»Ich werde alles verlieren. Meine Karriere. Meine Wohnung. Meine Kanzlei. Und meine Frau.«
Kathrin bemerkte, dass sie die Reihenfolge irritierte.
Direkt vor dem Haus der Pfeiffers entdeckte sie eine Parklücke. Ohne auch nur einmal nachbessern zu müssen, lenkte sie den Wagen hinein.
Sie war wieder Herrin über sich selbst: Sie würde kämpfen.
Zielstrebig ging sie zur Haustür, Heinrich folgte ihr schlurfend. Nachdem sie geklingelt hatte, bemerkte sie, dass Heinrich zu Boden starrte. Er schien dem Blick von Thomas’ Eltern schon prophylaktisch auszuweichen.
Ohne ein Wort der Begrüßung öffnete Marlies Pfeiffer die Tür und trat zur Seite, damit die beiden hineingehen konnten.
Sie deutete zum Wohnzimmer.
Alfred Pfeiffer saß dort in einem Sessel inmitten des üblichen Pfeiffer’schen Wohnungsdurcheinanders und musterte die beiden von oben bis unten. In den Gesichtern der beiden Eheleute mischten sich Trauer, Vorwurf und Selbstmitleid. Vor Alfred Pfeiffer auf dem Tisch lag ein Brief, daneben ein Umschlag.
Stumm setzten sich Kathrin und Heinrich aufs Sofa, Marlies Pfeiffer nahm ihnen gegenüber in einem zweiten Sessel Platz. Heute bot sie keinen Tee an.
Wo war Amelie?
Kathrin blickte sich suchend um.
»Sie ist noch nicht hier«, beantwortete Thomas’ Mutter die unausgesprochene Frage.
»Sie sollte längst hier angekommen sein. Wir wurden aufgehalten. Wegen eines Unfalls.«
»Vermutlich hat sie Angst bekommen.« Aggressivität schwang in der Stimme von Thomas’ Vater mit.
»Angst?«
Alfred Pfeiffer beugte sich nach vorn. Er legte seine Hand auf den Brief und schob ihn hinüber zu Kathrin und Heinrich.
»Lest!«, sagte er.
40
Damals/Neulich
D as Leben hatte es alles andere als gut gemeint mit Amelie.
Geboren wurde sie mit dem Namen ›Amelie Gilbert‹ als Tochter eines französischen Soldaten und einer deutschen Friseurin.
Sie erinnerte sich an Louis Gilbert, ihren Vater. Auf seinem Schoß hatte sie gesessen, Hoppe-hoppe-Reiter hatte er mit ihr gespielt, und dabei hatte er sie mit seinem großen Mund angelächelt. Rechts oben hatte einer seiner Zähne gefehlt. Dies hatte Amelie als Kind fasziniert.
Der französische Text zum Kinderreim wollte ihr allerdings schon seit langem nicht mehr einfallen. Auch die restlichen französischen Vokabeln, die er sie gelehrt hatte, waren längst in den hintersten Winkeln ihres Gedächtnisses verschollen.
Lediglich die Titulierung ›meine kleine Prinzessin‹ hallte noch in ihr nach, mit diesem zauberhaften französischen Akzent. Auch nach über dreißig Jahren hörte sie in Gedanken noch diese drei liebevoll formulierten Worte.
Louis Gilbert war an Knochenmarkkrebs erkrankt. Als er diagnostiziert wurde, befand er sich bereits im Endstadium. Keine sechs Monate später starb Amelies Vater; da war sie fünf Jahre alt.
Tiefe Einsamkeit begleitete Amelies nächste beiden Lebensjahre, denn ihre Mutter Anita schmerzte der
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