Sterbenswort: Thriller (German Edition)
ihn genau zwei Cocktails und keine dreißig Minuten später.
Axel nahm sie mit zu sich nach Hause.
Erst viel, viel später sollte ihm klarwerden, dass die Unbekannte in jener Nacht noch etwas völlig anderes von ihm ergattert hatte als das, was er freiwillig und mit größter Lust gegeben hatte.
46
Damals
A melie trieb auf einem Floß inmitten des Pazifiks. Sie lag auf dem Rücken, die Sonne wärmte ihren nackten Körper, sie spürte die frische Brise auf ihrer sanft gebräunten Haut. Obwohl sie die Augen geschlossen hielt, wusste sie, dass weit und breit kein Land in Sicht war, keine Insel, keine Küste, keine Zivilisation.
Und abgesehen von dem einen Menschen, den sie so sehr liebte, keine weitere Person.
Glück durchströmte ihren Körper, und sie wünschte, dieser Augenblick, den Erik für sie beide kreiert hatte, würde nie vergehen.
Erik lag neben ihr, schmiegte sich liebevoll an ihre Seite. Seine Worte erreichten ihr Innerstes und zauberten diesen wundervollen Moment.
Nur nicht die Augen öffnen, dann erlischt die Magie!
Sie spürte, wie das Auf und Ab der Wellen das Floß sachte schaukelte, noch während er es aussprach.
Sie roch das Salz in der warmen, feuchten Luft.
Sie sah vor ihrem inneren Auge die drei Delphine, die freudig und lustvoll auf- und eintauchten. Sie begleiteten das Floß, näherten sich und stupsten mit ihren spitzen Schnäbeln daran, sobald Erik es formulierte. Kleine Tropfen lösten sich von ihren Körpern und spritzten auf Amelies Haut.
Erik erzählte von ihren schnatternden Gesängen, und Amelie hörte sie.
Dann zogen die drei weiter.
Ein bunter Papagei kreiste leise über dem Floß. Er sah die Liebenden und flog respektvoll wieder davon. Er wurde immer kleiner, bis er schließlich in weiter Ferne verlorenging.
Der Wind legte sich. Zuerst beruhigte sich das Meer, dann das Floß.
Danach verschwanden der Himmel, die Sonne, der hölzerne Untergrund.
Amelie schwebte im Nichts. Sie spürte nur noch sich selbst – und Erik.
Seine Stimme führte ihre Schwerelosigkeit.
Die unendliche Schwärze gebar gelb funkelnde Sterne.
Worte erschufen den blauen Planeten, der sich langsam um sich selbst drehte. Als Europa vorüberglitt, fiel Amelie langsam hinab; sie pendelte dabei hin und her wie ein herbstliches Blatt, das den Baum verlässt.
Sie kehrte zurück.
Deutschland. Berlin. Friedrichshain.
Alles ist endlich, auch der schönste Traum.
Als Erstes meldete sich ihr Geruchssinn zurück. Die Schwaden des Schwarzen Afghanen, den die beiden geraucht hatten, hingen immer noch in der Luft. Nun schmeckte sie ihn auch auf ihrer Zunge.
Ihr Rücken spürte das Spannbettlaken, auf dem sie lag.
Erik begleitete ihr Nachhausekommen, sowohl mit seinen Worten als auch mit seiner Präsenz.
Als er sie darum bat, atmete sie tief ein und aus.
Behutsam, aber zielstrebig zog er sie in die Realität zurück.
»Du bist in unserer Wohnung. Du liegst wieder in meinem Bett«, flüsterte er.
Er küsste sie zärtlich auf ihre Wange und löste damit den Zauber.
Amelie öffnete ihre Augen und sah ihn glücklich an.
»Es war wunderschön.«
Er schwieg.
»Ich war wirklich dort. Mitten im Meer.«
Seine Hand berührte ihren Bauch, und sie legte ihre eigene darauf, um Erik bei sich zu behalten.
»Danke.«
So verharrten sie.
Amelie war es, die einige Zeit später wieder das Wort ergriff.
»Du wirst ein erfolgreicher Regisseur sein, Erik. Ich habe eben deinen ersten Film gesehen. Die Menschen werden dich genauso lieben wie ich.«
»Niemand kann mich so sehr lieben wie du.«
»Macht dir das Angst?«
»Nein. Alles ist gut.«
»Ich werde deinen Rat befolgen.«
»Welchen?«
»Die Maskenbildnerei aufzugeben.«
»Du wirst eine hervorragende Schauspielerin werden, Amelie Stutzkeis. Wobei ich eventuell auch einen besseren Nachnamen für dich wüsste.«
Sie verstand und lächelte ihn an.
»Ich möchte es zumindest versuchen.«
»Sie werden dich mit Handkuss aufnehmen.«
Eriks Hand stahl sich davon. Sein Körper löste sich von ihr.
Er setzte sich auf und sah sie an.
»Wir können gleich ein paar Probeaufnahmen machen. Ich habe gestern neue Leerkassetten gekauft.«
»Soll ich mir dazu etwas anziehen?«
Erik schüttelte den Kopf.
47
Neulich
D er Mann im Trenchcoat gab vor, den Busfahrplan zu studieren. Dann ging er hinüber ins überdachte Wartehäuschen und fixierte den dort aufgehängten Umgebungsplan des Berliner Westends.
In Wahrheit beobachtete er das Außengelände des Kindergartens
Weitere Kostenlose Bücher