Sterbenswort: Thriller (German Edition)
Erfolgserlebnis und die Vorfreude auf Kathrins Wohnung versüßten ihr die nächsten Stunden, die in Axels Schlafzimmer folgten.
Am nächsten Tag duplizierte der freundliche, rotgekleidete Angestellte von der ›Mister Minit‹-Filiale ihr den Schlüssel.
Jetzt musste sie nur noch irgendwie das Original zurückbringen.
Nach der Nacht, beim gemeinsamen Frühstück, hatte sich Axel betont cool und gelassen gebärdet. Ablehnung wollte er demonstrieren, ihr zeigen, dass es eine einmalige Sache gewesen sei.
Sie könnte ihm also die enttäuschte Verliebte vorgaukeln.
Und so klingelte sie abends an seiner Tür, heulte, spielte ihm eine Szene vor, bis er sie einließ.
Sie ließ sich trösten von ihm, am Küchentisch; nahm die Taschentücher dankbar an, um sich die Tränen wegzuwischen.
Dann wagte sie den gleichen Trick noch einmal: Beim Toilettengang hängte sie den Schlüssel wieder an seinen angestammten Platz.
Irgendwann ließ sie Axel die Genugtuung, ihr klarzumachen, dass sie beide eigentlich nicht zusammenpassen würden.
Sie akzeptierte es und verließ ihn.
Als sie sich draußen auf der Straße die letzten Tränen abgetupft hatte, ging sie pfeifend zu ihrem Auto.
51
Heute
K athrin versuchte, einen klaren Kopf zu behalten.
Während sie mit der Polizei telefonierte und die Entführung ihrer Tochter Mia meldete, beobachtete sie Heinrich.
Sein Gesicht glich farblich dem eines Leichnams. Bewegungslos saß er da, stierte vor sich hin, schien die Informationen, die in den letzten Minuten auf ihn eingeprasselt waren, zu verarbeiten und mit den bereits vorhandenen zu kombinieren.
Kathrin erzählte der Polizistin am anderen Ende der Leitung auch von ihrem Verdacht gegen Amelie, der nach dem Abschiedsbrief aufgekeimt war. Die Beamtin fragte Kathrin daraufhin nach den Adressen von Jutta Voss und von Amelie Stutzkeis. Kathrin nannte sie ihr.
Kathrin solle keinesfalls Eigeninitiative ergreifen, sagte die Polizistin, sie solle bleiben, wo sie sei, und abwarten. Die Polizei würde sich um die Angelegenheit kümmern. Sie würde unmittelbar zwei Streifenwagen informieren, damit sie zu den angegebenen Adressen fuhren.
Kathrin bestätigte, drückte den roten Knopf ihres Mobiltelefons und lehnte sich zurück.
Heinrich kaute inzwischen auf seiner Unterlippe herum.
»Was hat die Polizei gesagt?«, wollte Marlies Pfeiffer wissen, und Kathrin fasste das Telefonat zusammen.
»Und Sie vermuten, dass Amelie …?« Thomas’ Mutter ließ die Frage unvollendet.
Kathrin glaubte, dass sie nickte.
»War sie damals nicht auf der Schauspielschule?«, fragte Thomas’ Vater.
»Ja.«
Auf Heinrichs Unterlippe bildete sich ein kleiner Blutstropfen, er leckte mit der Zunge drüber.
Unruhig rutschte Kathrin auf dem Sofa hin und her. Sie musste etwas unternehmen.
»Vielleicht hat sie eine Waffe«, meinte Marlies Pfeiffer, und Kathrin erschrak.
Obwohl sie selbst gerade eben ihr Kind verloren hatte, legte Thomas’ Mutter ihr behutsam eine Hand auf den Oberschenkel.
»Die Polizei ist auf solche Situationen vorbereitet«, meinte sie.
»Aber ich kann doch nicht tatenlos …«
In Heinrich kam Bewegung. Er zückte sein eigenes Handy und drückte eine Schnellwahltaste. Aufmerksam lauschte er dem Freizeichen, doch niemand ging ran.
»Das muss nichts heißen«, sagte Kathrin, der klarwurde, wen Heinrich anrief. »Vielleicht hört Nina gerade laute Musik. Oder sie ist anderweitig beschäftigt.«
»Ich muss zu ihr!«
Da wurde ihr bewusst, dass auch sie selbst keine Alternative hatte.
Mia!
Die Angst um ihre Tochter durchbrach den Schutzschild ihrer selbstauferlegten Distanz. Endlich realisierte sie die Gefahr, in der Mia schwebte.
Wo war sie?
Wie erging es ihr?
Kathrins Herz verkrampfte sich.
Sie musste um ihre Tochter kämpfen. Sie konnte das nicht allein der Polizei überlassen.
»Okay«, sagte sie schließlich. »Ich fahre zu Amelie, und du nimmst dir ein Taxi und kümmerst dich um deine Frau.«
52
Neulich
V ia Suchmaschine ließ sich Amelie die Internetcafés in Berlin auflisten. Sie entschied sich für eines in der Nähe des Nollendorfplatzes. Hier hielt sie sich selten auf; auch hatte sie keine Bekannten, die in der Ecke wohnten. Nahezu ausgeschlossen, dass sich dort jemand an sie erinnern würde.
Der Mann am Tresen wies ihr den Platz mit der Nummer 11 zu. Erfreut stellte sie fest, dass ihr an diesem Computer keiner über die Schulter blicken konnte.
Bei deutschen E-Mail-Providern konnte man keine anonymen
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