Sterbenswort: Thriller (German Edition)
E-Mail-Accounts mehr eröffnen. Dem hatte der Gesetzgeber schon längst einen Riegel vorgeschoben.
Also suchte sie weltweit nach Alternativen.
Bereits nach wenigen Minuten wurde sie fündig: Indien.
Die dortigen Vorschriften gestalteten sich deutlich freizügiger. Ihr Englisch war ausreichend, um beim Anbieter ›India Free Mail‹ einen Account auf den Namen ›Erik Stein‹ zu eröffnen.
Sie loggte sich ein und versandte ihre erste E-Mail, leer und ohne Betreff.
Sie plante, den Druck im Laufe der Zeit zu steigern.
Für die nächste Mail hatte sie schon eine Idee.
Selbst wenn Heinrich zur Polizei ging und die IP des Rechners ausfindig gemacht werden sollte: Es scherte Amelie nicht.
Bei den zukünftigen E-Mails würde sie sowieso andere Internet-Cafés aufsuchen.
53
Heute
N ina Denk liebte es, heiß zu baden.
Das Wasser duftete nach Vanille und Lavendel.
Sie lag in der Wanne, schloss die Augen und träumte.
Sich etwas Wohltuendes zu gönnen, half ihr stets, wenn sie schlechte Laune hatte. Den heutigen Tag hatte sie eigentlich mit ihrem Mann genießen wollen. Doch Heinrich war schon frühmorgens aufgebrochen. Mitgeteilt hatte er ihr nicht, wohin er ging und weswegen er sie verließ. Vermutlich etwas Geschäftliches.
Nicht der erste Sonntag, den er in der Kanzlei verbrachte.
Das Luxusleben, das Heinrich ihr ermöglichte, tröstete sie darüber hinweg, dass sie mit einem Mann verheiratet war, der deutlich älter als sie selbst war und in dessen Prioritätenliste seine Ehefrau nur an zweiter Stelle nach seiner Arbeit stand.
Genießend sog sie den Duft ein. Die Badeperlen hatte sie in einer Parfümerie in der Friedrichstraße erstanden. Auf der letzten ihrer wöchentlichen Shoppingtouren.
Sie streckte den rechten Arm und besah sich ihre Fingernägel: In den nächsten Tagen musste sie unbedingt zur Maniküre.
Dann hielt sie die Luft an und tauchte unter.
Aus der gedämpften Ferne hörte sie, dass ihr Handy klingelte. Sie ignorierte es. Das Mobiltelefon lag sowieso zu weit von der Wanne entfernt. Falls es Heinrich war, konnte sie ihn auch später zurückrufen.
Er ließ sie warten, also konnte sie dasselbe mit ihm tun.
Wenn sie sein schlechtes Gewissen ein wenig vergrößerte, würde es ihr Schaden sicher nicht sein.
Sie fragte sich wie so oft, ob sie Heinrich liebte. Bislang war sie zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen.
Prustend tauchte sie auf.
Später döste sie – wie immer – ein paar Minuten vor sich hin und verlor sich in ihren Gedanken.
Erneut betrachtete sie ihre Hände. Da sie begannen, schrumpelig zu werden, beschloss sie, die Wanne zu verlassen.
Kaum, dass sie sich die Haare abgetrocknet und geföhnt hatte, klingelte es an der Wohnungstür.
Sie wunderte sich, denn nur selten erschien bei ihnen jemand unangemeldet.
Rasch schlüpfte sie in die Kleidung, die sie vor dem Baden bereitgelegt hatte.
Im Spiegel kontrollierte sie in aller Kürze, ob sie sich unter Leute wagen konnte. Dann ging sie zur Wohnungstür und spähte durch den Spion.
Eine Frau, etwa in Heinrichs Alter, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Nur äußerst ungern zeigte sich Nina ihren Mitmenschen ohne Make-up. Aber da die Frau selbst ungeschminkt war und in Freizeitkleidung vor der Tür stand, öffnete sie ihr.
Sofort kehrte Ruhe in die Fremde ein. Sie lächelte Nina an und streckte ihr ihre Hand entgegen.
»Hallo, Sie müssen Nina sein.«
»Ähm, ja.«
»Ich bin Amelie. Eine alte Freundin von Heinrich.«
Nina zögerte.
»Hat er nichts von mir erzählt? Dass ich Sie und ihn besuchen wollte?«
»Nein.«
»Dann hat er es sicher vergessen über all seiner Arbeit. Er ist ja in letzter Zeit so zerstreut.«
Das stimmte allerdings. Seit Tagen wirkte Heinrich sehr durcheinander. Er wollte ihr nicht mitteilen, warum. Nina vermutete irgendeinen wichtigen Prozess dahinter, über den Heinrich nicht reden durfte.
»Wir haben zu Studienzeiten in einer WG in Friedrichshain gelebt. Er hat Ihnen sicher von damals erzählt.«
»Ja.«
Wobei er meistens vom Thema ablenkte, wenn seine jungen, wilden Jahre ins Gespräch kamen …
»Kürzlich haben wir uns zufällig wiedergetroffen. Ich habe im Moment ein juristisches Problem mit meinem Vermieter und Heinrich sagte, er wolle mir helfen und er würde sich außerdem freuen, mir seine Frau vorzustellen.«
»Er ist gar nicht zu Hause.«
»Oh.« Sogleich schob sie hinterher: »Zugegebenermaßen bin ich aber auch etwas zu früh dran.«
»Wenn Sie sich verabredet
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