Sterbenswort: Thriller (German Edition)
Jahren. Eine Tür führte in eine nachträglich eingebaute Nasszelle mit Waschbecken, Dusche und Toilette. Auffällig die Vielzahl an Schminkutensilien. Im Abfluss der Dusche sammelte sich Dreck.
»Fass lieber nichts an«, hörte sie die Stimme der Polizistin aus dem letzten Zimmer.
»Keine Sorge, das überlasse ich der Spurensicherung.«
Kathrin gesellte sich dazu. Als sie bemerkte, dass ihr Mund offenstand, schloss sie ihn hastig.
Der größte Raum der Wohnung quoll über vor Devotionalien und wirkte zum anderen wie eine Technikzentrale. Poster von Filmen aus den Neunzigern – Twelve Monkeys, Das Fünfte Element, Lola rennt und viele andere – bedeckten zwei der Wände. Dazwischen immer wieder Fotografien von Erik. Erik allein. Erik mit einer Kamera. Erik mit Amelie. Erik als Kind. Die dritte Seite war komplett mit Regalen voller DVD s, VHS -Kassetten und Fotoalben zugestellt, die vierte war frei und makellos weiß und eignete sich hervorragend für die Projektionen des Beamers, der darauf zielte. Der Beamer stand auf einem Schreibtisch, daneben zwei Computermonitore, DVD -, VHS - und Diskettenlaufwerke, ein kleiner Fernseher und mehrere Geräte, deren Funktion sich Kathrin nicht erschloss. Drei PC s befanden sich auf dem Boden, alles wild und bunt miteinander verkabelt.
Die Polizistin telefonierte.
Kathrin sah das Blaulicht, das von draußen kommend durch den Raum huschte.
Über allem schwebte der Geruch einer Gruft.
»Okay, grauer Golf«, wiederholte die Polizistin.
Plötzlich fühlte Kathrin Übelkeit in sich aufsteigen.
Sie musste hier raus. Stolpernd erreichte sie das Treppenhaus und stützte sich am Treppengeländer auf. Sie schmeckte Gallenflüssigkeit und schluckte sie hinunter.
Da klingelte ihr Handy.
Mit zitternden Fingern drückte sie die Annehmen-Taste.
Die Stimme am anderen Ende resolut und fordernd. Kathrin erkannte sie sofort.
»Komm sofort zu Heinrich. Keine Polizei. Sonst stirbt deine Tochter!«
56
Heute
S cheppernd fiel Heinrichs Schlüsselbund zu Boden. Er hob ihn auf und versuchte erneut, den Schlüssel ins Loch zu führen. Beim dritten Versuch traf er.
Die Zeit während der Taxifahrt hatte sich ins Unendliche gedehnt.
Nina: ein Einschussloch an ihrer Schläfe, ihr Hinterkopf in einer Blutlache liegend; Blut, das sich immer weiter ausbreitete, den Teppich tränkte und verfärbte; daneben Amelie, die Waffe immer noch in der Hand, höhnisch grinsend, Heinrich und seine Frau verspottend; dann die Pistole auf ihn richtend.
Nina: auf einen Stuhl gefesselt, ein Knebel in ihrem Mund; sie wirft den Kopf hin und her; Amelie steht grinsend daneben.
Nina: auf dem Sofa, ein Messer an ihrer Kehle.
Nina: ihr Gesicht mit einer Rasierklinge entstellt.
Was hatte Amelie vor?
Sich selbst quälend wälzte er die dunklen Gedanken hin und her, während er weder das Innere des Taxis wahrnahm noch die Straßen, durch die die Fahrerin den Wagen lenkte.
Er hatte bezahlt, als sei er in Trance, dann war er mit dem Fahrstuhl hinaufgefahren.
Alles erwartete er inzwischen, sogar dass er die Wohnung verwaist vorfand, von Nina oder Amelie keine Spur. Ein fieser Plan Amelies, um seine Seelenpein fortzusetzen.
Alles erwartete er – mit Ausnahme des Geklappers von Porzellan.
Er trat in den Türrahmen und schnappte nach Atem.
»Heinrich? Was ist denn los?«
In trauter Harmonie saß seine Frau zusammen mit Amelie am Wohnzimmertisch. Die beiden tranken Tee.
Nina sah ihn entsetzt an, Amelie lächelte.
»Du bist ja völlig verschwitzt. Und dein Haar ist total zerzaust.«
Seine Frau stand auf, trat zu ihm und streichelte ihm sanft über die Wangen.
Nur wenige Sekunden später sollte ihm klarwerden, dass dies der letzte Moment war, den er zur Flucht hätte nutzen können. Einfach nach Nina greifen, sie mit sich ziehen und dann ab in den Fahrstuhl.
Zu spät!
Amelie griff in ihre Handtasche.
Er ahnte, dass dies nichts Gutes bedeutete.
»Setz dich doch.« Es klang mehr nach einem Befehl als nach einer Einladung.
Er gehorchte, und Amelie beließ ihre Hand in ihrer Tasche.
Während Amelie in einem Sessel saß, hatten er und Nina ihr gegenüber auf dem Sofa Platz genommen.
»Bist du die Treppen hochgerannt? Ist der Aufzug defekt?«
Heinrich schüttelte den Kopf.
»Ich schenke dir erst mal etwas Tee ein, ja?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, beugte sich Nina vor und füllte eine dritte Tasse, die bereits auf dem Tisch stand.
»Oje, Heinrich, deine Hände zittern! Du wirst alles
Weitere Kostenlose Bücher