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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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drohte vornüber in das dornige Gestrüpp zu stürzen. Instinktiv krallten sich seine Hände an den fingerdicken Ästen des Strauches fest. Ein brennender Schmerz durchzuckte seine linke Gesichtshälfte, als einer der Zweige zurückschnellte, und er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht aufzuschreien. Ein Zweig brach, und die Blätter des Strauches raschelten so laut, dass er glaubte, man könne es bis zum Ortseingang hören. Gespannt lauschte er, doch die Stimmen waren verstummt. Entsetzt bemerkte Koschny, dass einer der Männer auf ihn zukam. Suchend spähte er in die Dunkelheit und spannte dabei den Schlitten seiner Pistole.
    Koschny kauerte regungslos auf dem Rasen des kleinen Vorgartens. Sein Herz hämmerte so laut, dass er fürchtete, es könnte ihn verraten.
    Der Mann war jetzt zum Greifen nahe. Seine Lederschuhe knarrten bei jeder Bewegung, und Koschny bildete sich ein, die Schuhcreme darauf riechen zu können. Er verspürte einen beinahe unbändigen Harndrang und bemühte sich, nicht einmal zu blinzeln. Wie zu Stein erstarrt, atmete er den Geruch von Lehm und Grashalmen ein, und am liebsten wäre er zwischen ihnen versunken wie ein Korn in einer Sanduhr. Die Pistole war genau auf den Strauch gerichtet, hinter dem er hockte. Seine Muskeln begannen unbeherrscht zu zittern.
    Dann hörte er ein Rascheln, nur Zentimeter entfernt. Wehr dich , schrie eine Stimme in seinem Kopf. Spring auf und wehr dich! Lass dich nicht einfach so abknallen!
    Doch dann geschah etwas, das er zunächst für ein Trugbild seiner haltlosen Panik hielt. Zwei leuchtend grüne Augen, so groß wie die einer Eule, betrachteten ihn lauernd aus dem dunklen Gestrüpp heraus wie einen unwillkommenen Konkurrenten. Langsam kamen sie näher, glitten durch einen schwachen Lichtstrahl, der zwischen den Blättern hindurch den Schatten zerschnitt.
    Zorro!
    Das Fell des Katers war so schwarz wie der Ruß eines Ölofens, und im Maul hielt er eine tote Maus, deren angenagter Kopf nur noch an einigen Sehnen hing. Einen Moment lang verharrte der Kater. Dann wandte er sich ab, verschwand raschelnd in einem Gewirr aus Zweigen und trabte über die Auffahrt zur Straße.
    Der Mann am Auto rief etwas, dann lachte er. Der andere fluchte unverständlich vor sich hin und wandte sich von dem Strauch ab. Dann brach auch er in Gelächter aus.
    Diese Dreckskerle standen tatsächlich da und lachten.
    Koschny entspannte sich, als der Mann die Pistole wegsteckte und zum Wagen zurückging. Doch er wagte erst wieder richtig zu atmen, als der Wagen rückwärts aus der Auffahrt gerollt war. Langsam richtete er sich auf. Er wartete noch eine Weile – vielleicht fünf Minuten, vielleicht auch fünfzehn –, dann kam er aus seinem Versteck und ging zurück zur Straße. Zögernd schaute er sich um. Im Hausflur brannte noch immer Licht, aber er war sicher, dass niemand mehr im Haus war.
    Jedenfalls niemand, der noch lebt.
    Hastig fummelte er den Autoschlüssel aus der Tasche seiner zu engen Jeans, lief zu seinem Wagen und stieg ein. Dann atmete er ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen. Den anderen Wagen jetzt noch zu verfolgen war sinnlos. Zu viel Zeit war verstrichen, der Vorsprung war zu groß. Aber er glaubte, das Ziel des BMW zu kennen.
    Entschlossen starrte er auf das Feuerzeug, das seine linke Hand die ganze Zeit fest umklammert hatte, so dass sein Umriss sich rot auf seiner Handfläche abzeichnete. Das Logo darauf hatte die Form einer Tablette, mit einer Einkerbung an der oberen Rundung, die den Mittelteil eines großen M darstellte. Es war Koschny vertraut; vertraut genug, um seine Unruhe zu verstärken.
    Er startete den Motor, und ein mulmiger Druck machte sich in seinem Magen bemerkbar. Noch immer stand sein Körper unter Strom, und seine Muskeln bebten. Du könntest tot sein , dachte er und zögerte. Wenn er mit seinem Verdacht richtiglag, würde er Hilfe brauchen, bei dem, was er nun vor sich hatte. Und er würde sich verdammt noch mal eine Katze anschaffen, wenn das alles überstanden war.
    Erst als er den Ortsausgang passierte, fiel ihm auf, dass er ohne Licht fuhr. Er schaltete die Scheinwerfer ein, und sie erschienen ihm viel zu hell, viel zu auffällig. Und je mehr er sich Koblenz näherte, desto stärker wurde der Druck in seinem Magen.

35
     
     
     
     
     
     
     
    N ur langsam erwachte Sven aus seiner Bewusstlosigkeit und versuchte sich zu orientieren. Doch er war zu benommen. Außerdem war es stockfinster. Verschwommen konnte er grüne Dioden

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