Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
das Licht. Seine Kopfschmerzen waren unerträglich geworden.
Ein Schloss knackte. Dann öffnete sich die Tür.
Helligkeit durchflutete den Raum. Erst nach und nach konnte Sven Farben und Formen ausmachen. Er sah elektronische Geräte mit unzähligen Knöpfen, die an Monitore angeschlossen waren. Regale, in denen sich Unmengen von gläsernen Gefäßen befanden. Flaschen, Messgläser, Petrischalen, Reagenzgläser, Pipetten. Er selbst fand sich zwischen der grauen, fensterlosen Wand und dem massiven Seitenteil eines Steintisches wieder, gegen den er vorhin gestoßen war. Es war einer von insgesamt vier solchen Tischen, die nebeneinander aufgereiht aus dem Boden ragten wie steinerne Opferschreine und in demselben dunkelroten Ton gefliest waren. Auf einigen waren merkwürdige Apparaturen angebracht, die aussahen wie Folterinstrumente. Eine Szene wie aus einem David-Cronenberg-Film.
Sven schaffte es nur mit Mühe, aufrecht sitzen zu bleiben. Sein Blick schwenkte zu der offenen Tür hinüber, in der zwei Männer standen, die ihn prüfend betrachteten.
»Ah, Herr Kommissar«, sagte einer der beiden, »wie ich sehe, haben Sie sich bereits mit den Räumlichkeiten vertraut gemacht.« Die Stimme des Mannes war ebenso voluminös wie sein Körperbau, und dazu rau wie ein Reibeisen.
»Wo bin ich?«, fragte Sven, noch immer vom Licht geblendet.
»An einem Ort, wo Sie keinerlei Gefahr mehr für mich darstellen«, krächzte die Stimme. »Und Sie sind mir, gelinde gesagt, ganz schön auf die Nerven gegangen.«
Sven blinzelte zu der massigen Gestalt hinauf. »Ich kenne Sie«, stellte er fest, nachdem sich seine Augen endlich an das Licht gewöhnt hatten. »Sie sind doch dieser Kerl aus den Nachrichten, der mit diesem Pharmaladen, nicht wahr?«
»Hees«, erwiderte der Mann und lächelte. »Dietmar Hees, Gründer und Geschäftsführer der Medical Technology Group, mit weiteren Niederlassungen in England und Frankreich, falls Sie das mit Pharmaladen meinen. Es freut mich, dass Ihr Gedächtnis keinen Schaden genommen hat. Wir werden es heute Abend nämlich noch brauchen.«
»Sie sind also derjenige, der hier die Fäden zieht.« Sven schielte zu dem zweiten Mann hinüber, der reglos neben der Tür stand, die Hände auf dem Rücken verschränkt wie ein Soldat. Er war unverkennbar Südländer. Groß, sportlich, dunkler Teint, und Augen, die ebenso tiefschwarz waren wie seine Haare. Seinen Namen kannte Sven nicht, doch er war sich ziemlich sicher, wen er vor sich hatte. »Dann dürfte das andere Arschloch da wohl für meine Kopfschmerzen verantwortlich sein«, stellte er angewidert fest.
Hees musterte ihn eingehend. »Sie nehmen den Mund ziemlich voll für jemanden, der nicht mehr viel vom Leben zu erwarten hat. Aber man hat mir bereits gesagt, dass Sie ziemlich respektlos sind.«
»Tja, wissen Sie, mir ist bis jetzt noch niemand begegnet, vor dem ich Respekt haben müsste. Und ich glaube kaum, dass Sie und dieser Drecksack da eine Ausnahme bilden.«
»Unterschätzen Sie Mohamed nicht«, riet Hees gönnerhaft. »Zugegeben, das mit Jensen wäre beinahe schiefgegangen, aber der Abflug Ihres übereifrigen Kollegen war doch nun wirklich kreativ.« Er lachte heiser.
Unwillkürlich ballten sich Svens Hände zu Fäusten, und er zerrte fester an seinen Fesseln. »Mohamed?«, wiederholte er und versuchte seinen Zorn durch Ironie zu überspielen. »Ziemlich prophetischer Name für einen Killer, finden Sie nicht?« Mohameds Gesicht blieb ausdruckslos, beinahe unbeteiligt. Es kam Sven flüchtig bekannt vor. Dennoch konzentrierte er sich wieder auf Hees. »Was haben Sie mit Hofer gemacht?«
»Tja«, entgegnete Hees mit übertriebener Unbekümmertheit, »das ist zugegebenermaßen ein Problem. Einer meiner weniger begabten Mitarbeiter war da ein bisschen voreilig. Er hat seine Unfähigkeit bereits bei der Durchsuchung von Hofers Büro unter Beweis gestellt, als er sich von Ihrer Frau hat überraschen lassen. Und ich hasse Leute, die Fehler machen. Deswegen haben wir kurzfristig beschlossen, uns von ihm zu trennen.« Ein höhnisches Grinsen spielte um seine Lippen. »Aber wie dem auch sei, Herr Hofer kann leider nicht an unserer kleinen Plauderrunde teilnehmen, denn er ist im Moment …« Er sog geräuschvoll die Luft zwischen den Zähnen hindurch. »Nun ja, ich will es mal in Ihrem Berufsjargon ausdrücken: nicht vernehmungsfähig. Er steht zwar unter ärztlicher Aufsicht, aber ich bezweifle, dass er durchkommt. Also müssen wir notgedrungen
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