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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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Und plötzlich hat alles geklappt wie am Schnürchen. Sämtliche fehlenden Genehmigungen wurden umgehend erteilt oder durch juristische Tricks umgangen. Es war beinahe, als würden bürokratische Hürden für diese Leute nicht existieren. Die restlichen Bauarbeiten wurden in Rekordzeit erledigt. Es hat nicht mal ein Jahr gedauert, bis das Heim in Betrieb genommen werden konnte. Ich konnte es kaum fassen, war überglücklich. Bis es darum ging, meinen Teil der Abmachung einzuhalten.« Niedergeschlagen ging er zurück zum Sofa, setzte sich und betrachtete seine Füße. »Angefangen hat alles ganz harmlos. Ein paar Pillen hier, ein paar Spritzen dort … Medikamente, die nicht zugelassen oder noch in der Erprobungsphase waren. Meist harmlose Grippe- und Schnupfenmittel. Hin und wieder Antirheumatika. Nichts Bedenkliches. Zumindest habe ich mir das immer wieder eingeredet. Wir haben die Patienten unter ständiger Beobachtung gehalten, haben ihnen regelmäßig Blut abgenommen. Niemand schien zu Schaden zu kommen.« Er wagte es nicht, den Blick zu heben. »Aber dann wurden diese Kerle immer gieriger, ihre Versuche immer riskanter und aufwendiger. Bis zu diesem Projekt. Columbus .« Er schüttelte den Kopf. »Anscheinend halten die sich für so was wie Entdecker, für Pioniere auf ihrem Gebiet. Ich habe versucht, mit ihnen zu reden, sie zur Vernunft zu bringen. Ich habe gesagt, es gebe Grenzen und dass ich niemanden gefährden wolle. Aber denen war das egal. Sie haben mir gedroht und mir unmissverständlich klargemacht, dass es mein Kopf wäre, der auf dem Schafott endet, wenn ich auf die Idee käme, zur Polizei zu gehen. Und tatsächlich hatten sie alle Spuren sauber verwischt. Es gab nur mich und die Soheim GmbH, und die existiert nur auf dem Papier, wie ich erst später herausgefunden habe. Die armen Trottel, die dort zum Schein bezahlt werden, wissen vermutlich gar nicht, dass sie auf einem Pulverfass sitzen. Umso bewusster wurde mir , auf was ich mich da eingelassen hatte. Das ganze Projekt ist zusehends außer Kontrolle geraten, und wer da eigentlich im Hintergrund agierte, wurde immer undurchsichtiger.«
    »Und dann kam Jensen, nicht wahr?«, warf Sven ein. Er stand noch immer in der Küche und sah Hofer an, der nun doch beschlossen hatte, sein Schweigen zu brechen. Wahrscheinlich war er heilfroh, endlich mit jemandem über all das reden zu können. Zumindest hatte Sven diesen Eindruck, aber der Mann wirkte auch schwerfällig und schuldbewusst. Nervös rieb er die Handflächen aneinander, und jeder Atemzug glich mehr einem Stoßseufzer.
    »Ja«, sagte er kaum hörbar. »Jensen mochte die alten Leute. Ich habe sofort gemerkt, dass er einen Draht zu ihnen hatte. Aus irgendeinem Grund waren sie die Einzigen, vor denen er Respekt hatte.«
    »Wusste er von den Experimenten?«
    »Anfangs nicht«, seufzte Hofer. »Aber dann muss die alte Marek irgendetwas zu ihm gesagt haben. Wahrscheinlich einer der letzten lichten Momente, die die arme Frau gehabt hat. Jedenfalls fing Jensen plötzlich an, Fragen zu stellen, und schien sich für die Laborarbeit zu interessieren. Und als er schließlich dahintergekommen ist …« Hofer fuhr sich mit beiden Händen verzweifelt über die Halbglatze. »Gott ist mein Zeuge, ich habe Jensen mehrmals gewarnt, sich nicht mit diesen Leuten anzulegen. Aber er wollte nicht auf mich hören.«
    »Gott kann Ihnen nicht helfen«, sagte Sven. »Sie allein haben es in der Hand, diesen Spuk zu beenden.«
    Die Türglocke läutete.
    Erschrocken fuhr Hofer herum und hätte um ein Haar seine Bierflasche umgestoßen.
    »Nur die Ruhe«, beschwichtigte Sven ihn. »Ich kann mir schon vorstellen, wer das ist.« Und wie immer kommt er im falschen Moment , vervollständigte er den Satz in Gedanken, während er zur Tür ging. Er drückte die Taste der Sprechanlage. »Ja.«
    Ein Knacken. »Ja, hallo, Becker, hier ist Koschny«, ertönte es knisternd.
    Der könnte sich auch mal was Neues ausdenken , dachte Sven, während er den elektronischen Türöffner betätigte. Genau dieselben Worte hatte er auch auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete Sven die Wohnungstür. Doch kaum hatte er auf die Klinke gedrückt, wurde die Tür gewaltsam aufgestoßen und schleuderte ihn an die Wand. Fast gleichzeitig packte ihn eine kräftige Hand an der Kehle. Sein Kopf schlug hart hinten auf, und alles verschwamm vor seinen Augen. Noch ehe er die Situation ganz erfassen konnte, begann er, sich zu

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