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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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dass es sich um einen Partner der Firma handelte. Bestimmt eine Geschäftsbesprechung , hatte er gedacht, schließlich war Dietmar Hees selbst auch noch im Haus, was sonst um diese Uhrzeit nur selten der Fall war. Eigentlich hätte es Meier egal sein können, letztendlich wurde er nur dafür bezahlt, Ausweise zu kontrollieren.
    Einen solchen hatte der nächste Besucher zwar nicht gehabt, dafür aber ein Okay von höchster Stelle. Hees selbst hatte per Telefon exakt um 22:40 Uhr die Ankunft eines dunklen BMW angekündigt und angeordnet, ihn ohne Kontrolle passieren zu lassen. Durchaus nichts Ungewöhnliches. Hin und wieder sahen Bekannte oder Vertreter von Partnerfirmen vorbei, die natürlich nicht alle eine offizielle Berechtigung oder einen Firmenausweis besaßen und deren Ankunft im Voraus bekannt gegeben wurde, um unnötige Kontrollen oder Missverständnisse zu vermeiden. Allerdings normalerweise nicht am späten Abend. Aber Hees war nun mal der Chef. Er konnte mitten in der Nacht Einlass für eine ganze Horde Nutten verlangen, wenn ihm danach war. Trotzdem erschienen ihm die beiden Insassen des Wagens … nun ja … merkwürdig war der Begriff, der ihm dazu einfiel. Vielleicht, weil sie Ausländer waren. Er hatte keineswegs Vorurteile, aber aus irgendeinem Grund waren sie ihm verdächtig vorgekommen. Es waren keine Mitarbeiter, dann hätte er sie vom Sehen gekannt. Außerdem hätte Hees sie dann nicht ankündigen müssen. Zudem schienen sie großen Wert darauf zu legen, nicht erkannt zu werden. Dank der Außenbeleuchtung hatte man vom Wachhaus aus einen guten Blick auf die Fahrerseite eines ankommenden Wagens; trotzdem hätte er nur eine äußerst vage Beschreibung des Fahrers geben können, da dieser sein Profil mit der Hand verdeckt hatte. Er schien groß zu sein, jedenfalls war sein Sitz weit nach hinten gestellt. Dichtes schwarzes Haar, schätzungsweise dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt. Von dem Beifahrer konnte er noch weniger erkennen. Die hinteren Scheiben waren verdunkelt, aber seine Intuition sagte ihm, dass sich noch mehr Personen im Wagen befanden. Fast hätte er nachgesehen. Doch dann hielt er sich an die Anweisung und ließ den Wagen passieren. Einige Minuten lang ging ihm das Ganze noch im Kopf herum. Dann machte er einen Vermerk im Wachbuch und widmete sich wieder seinem Roman.
    Nachdem er das Kapitel zu Ende gelesen hatte, knickte er die untere Ecke der Seite als Lesezeichen um und tauschte das Buch gegen seine Brotbüchse aus. Sein Blick fiel auf die Kaffeemaschine auf dem klapprigen Holzregal. Seine beiden Kollegen hatten ihm doch tatsächlich eine Tasse übrig gelassen, bevor sie ihren ersten Rundgang angetreten hatten. Gerade war Meier im Begriff, zwei Stück Zucker in seinem Kaffee zu versenken, als plötzlich das starre Gesicht von Ulrich Seifert vor ihm auftauchte. Seifert stand auf der anderen Seite der schusssicheren Glasscheibe und lächelte ihn an.
    Meier fuhr zusammen und verschüttete einen Großteil des Kaffees auf dem Schreibtisch. Hastig griff er nach ein paar Papierservietten, um zu verhindern, dass sämtliche Unterlagen auf dem Tisch braune Flecken bekamen. Dann wandte er sich an Seifert.
    »Mein Gott, haben Sie mich erschreckt«, keuchte er. Sein Gesicht war rot angelaufen, und sein Herz hämmerte.
    Seifert reagierte nicht. Noch immer starrte er durch das Glas, den Mund zu einem hintersinnigen Lächeln verzogen. Meier kannte Seifert flüchtig. Es war noch gar nicht lange her, dass er ihm und seinem klapprigen Taunus jeden Morgen die Schranke geöffnet hatte. Erst aus den Zeitungsartikeln, die in letzter Zeit erschienen waren, hatte er mehr über ihn erfahren. Und diese neuen Informationen machten ihn ein wenig nervös.
    »Was wollen Sie hier?«, fragte er vorsichtig. »Sie wissen doch, dass Sie hier nicht reindürfen.« Erst jetzt bemerkte er die Spraydose, die Seifert in der Hand hielt, und seine Nervosität wuchs. »Überleg dir gut, was du tust, Junge«, setzte er an. Doch kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurde ihm klar, dass es mit den Vorzügen der Nachtschicht nun vorbei war. Schockiert starrte Meier den roten Sprühnebel an, der sich auf dem Glas langsam zu Buchstaben formte, die sich schließlich zu einem Wort zusammenfügten. Ein Wort, das auch spiegelverkehrt leicht zu lesen war:
    MÖRDER!
    Von einem der beiden Punkte über dem O rann ein dicker roter Tropfen langsam durch die Schrift hindurch die Scheibe hinunter.
    »Nimm’s nicht persönlich, Alter«,

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