Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
und kramten darin herum.
Koschny stieg aus und eilte auf sie zu. Dabei behielt er das Wachhäuschen im Auge, bis er die andere Straßenseite erreicht hatte.
»Tut mir leid«, sagte Seifert, »aber schneller ging’s nicht.« Er war mittelgroß, mit rötlichem Haar und einem auffallend schmalen Mund.
»Schon okay«, keuchte Koschny. »Ich bin froh, dass ihr überhaupt da seid. Hatte schon langsam Zweifel.« Er begrüßte die drei anderen, die sich ihm als Ralf, Jo und Christian vorstellten und allesamt Studenten der Fachhochschule Koblenz waren.
Jo öffnete den Kofferraum und präsentierte Koschny stolz dessen Inhalt. »Ich hab auf die Schnelle ein paar Sachen organisiert. Nichts Besonderes«, meinte er, »aber für uns wird’s reichen.« Er wühlte in einer Kiste herum und zog nacheinander eine schwere Eisenkette, mehrere Vorhängeschlösser, eine zusammengerollte Stoffplane – wohl eine Art Spruchband –, ein langes Küchenmesser, eine Rolle Draht und eine Farbspraydose daraus hervor. Auch technisches Equipment war vorhanden. Koschny konnte ein Knäuel aus Kabeln erkennen, die in Steckadaptern endeten. Als Letztes kam ein großer Plüschaffe zum Vorschein. Jo rammte das Küchenmesser in den Bauch des Stofftieres und sprühte rote Farbe um die künstliche Wunde. »Für die Dramatik«, meinte er trocken. »Macht sich immer gut bei denen von der Presse.« Er grinste Koschny an. »Die Kette ist aus zwölf Millimeter dickem Edelstahl. Das wird die Jungs ’ne Weile beschäftigen.«
»Das dürfte genügen«, sagte Koschny. »Ihr müsst sie nur lange genug ablenken, dass ich mich da drin frei bewegen kann.«
»Sie wollen auf das Gelände?«, fragte Seifert überrascht.
»Ja. Das ist die einzige Möglichkeit rauszufinden, was da drinnen wirklich vorgeht.«
»Was da vorgeht?« Verunsichert trat Jo näher. Erst jetzt sah er die blutigen Kratzer auf Koschnys Gesicht. »Moment mal«, fragte er, »wovon zum Teufel reden wir hier eigentlich?«
Koschny erklärte in kurzen Sätzen die Situation, vermied es jedoch, ins Detail zu gehen. Es war ohnehin schon zu viel wertvolle Zeit verstrichen.
»Was?«, fragte Christian schockiert, nachdem Koschny geendet hatte. Nervös zupfte er an etwas herum, das wohl ein Kinnbart sein sollte. »Sie meinen, da drin werden zwei Menschen festgehalten?«
Koschny nickte ernst.
»Davon hat er mir am Telefon nichts gesagt«, beteuerte Seifert an die drei anderen gewandt.
»Dazu war keine Zeit.«
Wieder sahen sich die vier unschlüssig an. Dieses Mal meldete sich Ralf zu Wort. Er trug einen breiten silbernen Ring im linken Ohr. »Ich dachte, es geht hier um Tierversuche.« Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Ich meine, wir sind ’ne Umweltschutzorganisation. Sollte man bei so was nicht lieber die Polizei rufen?«
»Die kann im Moment nicht viel machen«, entgegnete Koschny. »Ich habe nicht mal gesehen, wie die beiden auf das Gelände gebracht wurden, aber ich bin mir absolut sicher, dass sie dort sind. Die Polizei würde sich hüten, ohne handfeste Beweise das Gebäude einer renommierten Firma zu durchsuchen und dann am Ende nichts zu finden. Damit würden sie sich garantiert eine ziemlich miese Presse einhandeln. Glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Aber weshalb werden die beiden dort festgehalten?«, wollte Jo wissen. Er war der kleinste der vier und roch durchdringend nach Knoblauch.
»Das zu erklären würde zu lange dauern«, drängte Koschny. »Ich kann euch nur so viel sagen: Es geht um wesentlich mehr als um ein paar Versuchsaffen.«
»Und was springt für uns dabei raus?« Christian malträtierte noch immer die Fusseln an seinem Kinn.
»Wie meinst du das?«, fragte Koschny ein wenig verärgert.
»Ich riskiere meinen Arsch nicht gerne für nichts. Diese Aktion ist nicht mit unseren Leuten abgesprochen, und wir sind kein kleiner Stammtischverein. Wir könnten uns ganz schön Ärger einhandeln, wenn wir im Namen unserer Organisation etwas anzetteln, das nicht genehmigt ist. Außerdem bekommen wir mit ziemlicher Sicherheit Stress mit den Behörden, und die von der FH werden auch nicht gerade begeistert sein.«
Fehlt nur noch dein jähzorniger Daddy, der dir ’ne ordentliche Tracht Prügel verpassen würde, die du auch verdient hättest , dachte Koschny wütend. Er hatte keine Zeit, sich weiter sinnlos herumzustreiten.
»Na schön«, seufzte er, »hört zu: Ich verspreche euch, dass ich in meinem Artikel die GNF , und vor allem euch drei …« Sein Blick
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