Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
neugierig die beiden Kopien, die Sven in der Hand hielt.
»Das erkläre ich dir, wenn wir wieder im Präsidium sind«, erwiderte Sven knapp.
»Na schön, Mister Geheimnisvoll.« Als sie am Auto angekommen waren, warf Dennis einen strengen Blick über das Wagendach. »Was ist los?«, fragte er. »Du hast im Fahrstuhl kein einziges verdammtes Wort gesagt. Ich gebe ja zu, dass das Gespräch mit Hofer nicht gerade viel gebracht hat. Wahrscheinlich hast du recht, und das Ganze war tatsächlich ein Unfall.«
»Nein, war es nicht.«
Dennis sah ihn entgeistert an. »Hab ich gerade irgendwas verpasst? Was zum Teufel war denn da oben los mit dir?«
»Ich habe in Hofers Büro etwas gesehen, das meine Meinung geändert hat. Steig ein, ich erklär’s dir später.«
Hofer stand am Fenster seines Büros und sah beklommen zu, wie der silberne Opel den Parkplatz verließ. Als der Wagen außer Sichtweite war, wandte er sich ab und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Seine schmalen Hände stützten sich Halt suchend auf die massive Tischplatte. Er schloss seine Augen und atmete ein paarmal tief durch.
Plötzlich fuhr er hoch, griff nach der pyramidenförmigen Tischuhr und schleuderte sie mit voller Wucht gegen die Urkunden an der Wand. Zwei der Rahmen zersprangen mit einem dumpfen Klirren und fielen scheppernd zu Boden.
»Verdammt!«, schrie Hofer den kleinen Trümmerhaufen an, als hoffte er, den Schaden dadurch noch verschlimmern zu können.
Die Tür wurde aufgerissen, und seine Sekretärin kam hereingestürzt. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie verängstigt. Ihr verstörter Blick wanderte von Hofers zornigem Gesicht zu den Urkunden, die zerrissen auf den Glasscherben lagen.
»Bitte gehen Sie!« Hofer schnaufte wie ein wütender Stier. »Ich will nicht gestört werden. Und sagen Sie all meine Termine ab.«
»Ja … aber …«
»Raus!«, fuhr Hofer sie an.
Nachdem seine Sekretärin das Büro verlassen hatte, sank er auf den schwarzen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch und vergrub das Gesicht in den Händen.
Es hatte angefangen. Und jetzt war es nicht mehr aufzuhalten.
4
D ie Polizeidienststelle lag unmittelbar an der Bundesstraße 9, die aus dem Zentrum von Koblenz zu den Autobahnen führte. Das Einzige, was den grauen Betonklotz äußerlich von den umliegenden Hotels und Versicherungsgebäuden unterschied, war ein unübersichtlicher Wald aus mächtigen Funkantennen, die wie riesige Stacheln auf dem Dach in den Himmel ragten.
Das Büro von Dennis und Sven war ein heller Raum mit zwei cremefarbenen Schreibtischen und mehreren kopfhohen, vollgestopften Aktenschränken, neben denen ein Flipchart stand. Ein paar Fahndungsplakate und eine große Landkarte der Umgebung hingen an den weißen Wänden.
Sven saß an seinem Schreibtisch, der in puncto Sauberkeit und Ordnung nichts mit dem von Hofer gemein hatte, und studierte die Dienstpläne, die Hofers Sekretärin ihm kopiert hatte.
»Und?« Ungeduldig nippte Dennis an seinem Kaffee.
»So wie’s aussieht«, sagte Sven, »war Jensen die meiste Zeit einem Pfleger namens Thomas Milenz zugeteilt. Jensens Arbeitszeit richtete sich somit nach dessen Schicht.«
»Und was sagt uns das?«, wollte Dennis wissen.
»Das sagt uns, dass wir diesem Milenz mal ein paar Fragen stellen sollten.«
»Du denkst, er kann uns mehr über Jensen sagen?«
Sven nickte. »Aber vielleicht weiß er auch, was genau in diesem Altenheim vorgeht.«
Dennis sah ihn fragend an. »Wie meinst du das?«
»Erinnerst du dich an diese Formel, die Jensen in seinen Aufzeichnungen erwähnt hat?«
Zwischen Dennis’ Augenbrauen wölbten sich zwei kleine Falten auf. »Ja, ich glaube, es war so was wie CL -6 …«
» CD 8/13- CP «, korrigierte Sven.
»Und?«
»Wenn ich Jensens Notizen richtig interpretiere, muss die Formel mit diesem Projekt in Zusammenhang stehen. Und wenn dem wirklich so ist, hat Hofer gelogen.«
»Und wie kommst du darauf?«, fragte Dennis gespannt.
»Ich habe auf Hofers Schreibtisch eine CD gesehen, auf der genau die gleiche Bezeichnung stand: CD 8/13- CP .«
»Bingo!« Beinahe hätte Dennis sich den Kaffee auf die Hose geschüttet. Er konnte es durch eine geschickte Ausgleichbewegung gerade noch verhindern und stellte den Becher vorsichtshalber auf dem Tisch ab. Dann stand er wie elektrisiert auf und fing an, rastlos hin und her zu wandern. »Ich wusste es! Der Mistkerl war viel zu nervös. Glaubst du, an Koschnys Verdacht ist was dran? Ich meine,
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