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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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und deutete auf das gerahmte Bild neben Svens Hochzeitsfoto.
    »Ja.« Svens Mundwinkel verzogen sich zu einem verlegenen Lächeln. »Das war nach der ersten Woche auf der Polizeischule. Hätte nie gedacht, dass ich diese Zeit mal vermissen würde.«
    »Ich habe mich immer gefragt, was jemanden wie Sie veranlasst hat, zur Kripo zu gehen. Jetzt, wo ich Sie in Uniform gesehen habe, wird mir einiges klar.«
    »Was meinen Sie damit, jemand wie ich ?«
    »Wie soll ich sagen?« Koschny wandte sich zu ihm um. »Für einen Job bei der Kripo scheinen Sie mir manchmal ein bisschen zu einfühlsam zu sein. Auf mich wirken Sie eher wie ein sensibler Einzelgänger.«
    »Was ist so falsch daran, Empfindungen zu haben?«
    »Nur, sie in sich hineinzufressen«, antwortete Koschny. »Dadurch wird man anfälliger und verliert den nötigen Abstand zu seiner Arbeit, und irgendwann werden die Probleme anderer Leute zu den eigenen.«
    »Verstehe«, sagte Sven, »nur ein cooler Bulle ist ein guter Bulle.« Er ließ das Handtuch in den Schoß sinken. »Sie gehen zu oft ins Kino, Koschny.« Seine Augen wurden schmal. »Sie berichten doch täglich über Dinge wie Tod und Verzweiflung. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht auch ab und zu die Wut über so viel Sinnlosigkeit packt.«
    »Nur mit dem einen Unterschied«, entgegnete Koschny, »dass ich nicht herumlaufen und wahllos irgendwelche Leute verhaften kann, wenn ich mal einen miesen Tag hatte.«
    Sven schüttelte verständnislos den Kopf. »Was wollen Sie eigentlich, Koschny? Was versuchen Sie hier abzuziehen? Seit gestern Nachmittag hängen Sie wie eine Klette an mir, wollen mir einreden, Sie wollen reinen Tisch machen und dass Sie um jeden Preis meine Mitarbeit wollen, und trotzdem lassen Sie keine Gelegenheit aus, mir vors Schienbein zu treten.«
    »Ich versuche eben immer, den Dingen auf den Grund zu gehen«, lenkte Koschny ein. »Mag sein, dass ich dabei gelegentlich übers Ziel hinausschieße. Aber so bin ich nun mal, finden Sie sich damit ab.«
    »Wissen Sie was?« Die Wut trieb Sven die Röte ins Gesicht. »Sie können mich mal! Ich muss mich hier mit gar nichts abfinden. Weder habe ich Sie gebeten, mir zu helfen, noch habe ich Sie eingeladen, hier zu übernachten. Wenn Ihnen meine Ansichten nicht passen, dürfen Sie jederzeit gehen! Ich hindere Sie jedenfalls nicht daran! Und wenn Sie mich wieder kontaktieren wollen, können Sie mir gerne eine E-Mail …«
    Er verstummte mitten im Satz und starrte die gegenüberliegende Wand an, vor der sein Schreibtisch stand. Was er dort sah, ließ den Druck in seiner Brust schlagartig wieder ansteigen, und das eisige Gefühl der Angst war wie ein Pfropf in seinem Hals, der ihn zu ersticken drohte.
    »Mein Gott«, keuchte er.
    »Was ist denn los?« Bestürzt sah Koschny, dass Svens Gesichtsfarbe noch einen Ton blasser geworden war. »Ist Ihnen wieder schlecht?«
    Ohne auf ihn zu achten, stürzte Sven zu seinem Schreibtisch. Dort angekommen, gaben seine Knie nach, und er ließ sich auf den Stuhl sinken.
    »Jemand war hier«, stieß er hervor.
    »Wie meinen Sie das, jemand war hier?«
    »Jemand Fremdes, hier, in meiner Wohnung.«
    »Was …? Aber wie …?«
    »Sehen Sie.« Wie versteinert deutete Sven auf das gerahmte Foto von seiner Schwester und seinem Neffen, das auf dem schmalen Fenstersims über dem Schreibtisch stand. Die Gesichter der beiden strahlten ihren Betrachter fröhlich und unbeschwert an. Umso erschreckender war dagegen das, was jemand mit rotem Filzstift auf das Bild des Jungen gemalt hatte. Svens Blut schien mit jeder Sekunde kälter zu werden.
    »Ich wusste es! Diese verdammten Schweine«, entfuhr es ihm mit zitternder Stimme, während er das rote Kreuz auf der Stirn seines Neffen betrachtete.
    Dann griff er hastig nach dem Telefon.
    »Und?«, fragte Koschny, als Sven erleichtert aufgelegt hatte. »Was sagt Ihre Schwester?«
    »Es geht beiden gut«, berichtete Sven erschöpft. »Und meiner Schwester ist auch nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Sie sagt, ich soll mir keine Sorgen machen. Wenn ihr tatsächlich ein paar religiöse Fanatiker ein brennendes Kreuz in den Garten stellen, könnte sie im Notfall die gesamte fünfte Panzerdivision aufbieten.« Trotz allem konnte Sven sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Anscheinend hält sie das Ganze für einen schlechten Scherz.«
    »Sie auch?«
    Sven sah Koschny an. »Nein. Immerhin hat jemand riskiert, hier einzubrechen. Und er hat seine Sache wirklich gut gemacht, ich kann

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