Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
hinausschießen.«
»Hören Sie«, erwiderte Koschny gereizt, »ich habe Ihnen lediglich meine Hilfe angeboten. Wenn Sie diese Hilfe nicht wollen, na schön, auch gut. Allerdings sollte ich dann nicht länger meine Zeit hier verschwenden. Wenn Sie tatsächlich so denken, hätte eine Zusammenarbeit ohnehin keinen Zweck.« Wutentbrannt stampfte er hinaus. »Und übrigens«, rief er noch, ohne sich umzudrehen, »Sie schulden mir eine Fußmatte!«
»Warten Sie«, hielt Sven ihn zurück, als Koschny bereits den Durchgang zum Flur erreicht hatte. »Also gut, es tut mir leid«, gestand er kleinlaut. »Es ist nur … dass ein Fremder hier eingedrungen ist … Diese ganze Geschichte …« Er holte tief Luft. »Ich stehe wohl im Moment etwas neben mir.« Er machte eine Pause und fuhr sich nachdenklich durch die Haare. »Na schön, Koschny«, gab er schließlich nach, »Sie haben gewonnen. Ich bin ohnehin an einem Punkt angelangt, wo ich Hilfe gebrauchen könnte. Und zumindest in diesem speziellen Fall haben wir wohl beide ausnahmsweise dasselbe Ziel.«
Koschny nickte zufrieden.
»Allerdings müssen Sie mir eines versprechen«, fügte Sven mit Nachdruck hinzu. »Die Akte Heibel ist ab heute geschlossen!«
Koschny zögerte. Dann nickte er ein zweites Mal.
Sie setzten sich an den Tisch, und Sven erzählte Koschny alles, was er über die Ereignisse der letzten Zeit wusste. Von Jensens Notizen über Milenz’ Befragung bis hin zu dem anonymen Anruf. Koschny hörte aufmerksam zu und stellte gelegentlich Fragen, die Sven jedoch nicht beantworten konnte. Woher sollte er schließlich wissen, was die Proben beinhalteten, die Milenz erwähnt hatte, oder worum es bei den vermeintlichen Testreihen ging? Vielleicht waren sie der Schlüssel, vielleicht auch nur eine Spur, die im Nichts endete.
»Tja, das ist alles«, sagte er schließlich.
»Das ist mehr, als ich erhofft hatte«, meinte Koschny.
»Trotzdem muss ich Sie bitten, noch nichts davon zu veröffentlichen. Das könnte die Ermittlungen erschweren.«
»Zu Ihrer Beruhigung, ich habe nicht vor, etwas zu veröffentlichen, von dem ich noch kein klares Bild habe«, versicherte Koschny. »Es überrascht Sie vielleicht, aber ich bin nicht so mies, wie Sie es mir nachsagen. Ich schreibe nur über Dinge, bei denen ich mir sicher bin. Keine Fakten, keine Story!«
»Klar doch«, erwiderte Sven bissig. »Erzählen Sie das Ihrer Mutter.«
Koschnys Blick trübte sich. »Meine Mutter ist tot.«
»Das …« Sven stockte. »Das tut mir leid, wirklich«, sagte er kleinlaut. »Dann muss ich mich wohl auf Ihr Wort verlassen.«
»Was ist mit dem Tod Ihres Kollegen?«, überging Koschny diese Bemerkung. »Hat sich da noch irgendetwas ergeben?«
»Nein«, antwortete Sven. »Man hat zwar festgestellt, dass es einen Kurzschluss gegeben hat, aber der könnte auch durch die Explosion ausgelöst worden sein.«
»Also keinerlei Anhaltspunkte für einen Mord.«
»Nein.«
»Und der fremde Wagen vor seinem Haus?«
»Leider war die Nachbarin die Einzige, die ihn gesehen hat.«
»Und wie passt diese Kirchengemeinde in das Bild?«
Sven stieß einen langen Seufzer aus. »Keine Ahnung«, meinte er niedergeschlagen, »vermutlich gar nicht. Ich hatte nur den Verdacht, dass dort möglicherweise Kinder …« Er stockte, da er es für keine gute Idee hielt, dieses Thema gegenüber Koschny anzusprechen. »Wenn ich ehrlich bin, weiß ich eigentlich gar nichts.« Er rieb sich mit beiden Händen die Erschöpfung aus den Augen. »Ich glaube, ich könnte jetzt doch einen Kaffee vertragen.« Es gelang ihm nur mit Mühe, sich aufzurappeln und in die Küche zu schleppen. Er kramte zwei Keramiktassen unter dem schmutzigen Geschirr hervor, wodurch das Gebirge aus Tellern, Gläsern und Besteck bedrohlich ins Wanken geriet, und wusch sie aus. Schließlich reichte er Koschny eine der gespülten Tassen und schenkte Kaffee ein. Seine Hand zitterte.
»Milch?«
»Nur Zucker, danke.« Koschny beobachtete Sven aufmerksam und versuchte in seiner Miene zu lesen. »Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass das hier das erste halbwegs vernünftige Gespräch ist, das wir miteinander führen?«
»Ja, kann sein«, knurrte Sven.
»Hören Sie, ich … ich möchte mich für den Überfall gestern auf dem Friedhof entschuldigen«, begann Koschny zaghaft. »Das war ziemlich taktlos von mir.«
»Allerdings.«
»Es war die einzige Möglichkeit, an Sie ranzukommen.«
»Tja, nun haben Sie ja, was Sie wollten.«
»Sie machen es
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