Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
keinerlei Spuren entdecken.«
»Tja, bei dem Durcheinander hier ist das auch kein Wunder«, bemerkte Koschny und fing sich einen zornigen Blick ein. »Mir ist aufgefallen, dass die Tür zur Terrasse sich nicht schließen lässt.«
»Ja, der Riegel ist kaputt«, gab Sven betreten zu. »An dem Tag, an dem meine Frau mich verlassen hat … Na ja, die Tür hat jedenfalls ziemlich darunter gelitten«, schloss er verlegen.
»Als Polizist machen Sie es Einbrechern wirklich nicht schwer«, stellte Koschny fest. »Ist etwas gestohlen worden?«
»Augenscheinlich nicht«, sagte Sven. »Anscheinend ging es tatsächlich nur darum, diese Drohung zu hinterlassen. Und ich muss zugeben, sie hat ihre Wirkung nicht verfehlt.« Krachend schlug er mit der Faust auf den Schreibtisch. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mir diese Betbrüder mal vorknöpfe!«
»Was haben Sie vor?«, fragte Koschny. »Anzeige erstatten?«
»Da es keinerlei Einbruchspuren gibt, dürfte das schwierig werden«, knurrte Sven. »Alles, was ich habe, sind Schmierereien auf einem Foto.«
»Dann sollten Sie das Ganze lieber mit Bedacht angehen.«
Sven sah ihn wütend an. »Kommen Sie mir jetzt bloß nicht wieder mit Ihren Moralansichten, Koschny. Diesmal nicht!«
»Ich meine ja nur, dass Sie nicht wieder überstürzt handeln sollten. Beruhigen Sie sich erst einmal.«
»Mich beruhigen?«, fauchte Sven ihn an. »Wie würden Sie denn reagieren, wenn jemand bei Ihnen einbricht und Ihre Familie bedroht?«
»Ich würde das Ganze erst einmal genau hinterfragen«, antwortete Koschny gefasst. »Nach dem, was Sie gerade am Telefon über diese Kirchengemeinde erzählt haben, kommt mir eine solche Drohung doch ein bisschen zu … nun ja, verwegen vor.«
Das heiße Pochen in Svens Stirn ließ etwas nach. »Wie meinen Sie das?«
»Na ja, wenn ich Sie am Telefon richtig verstanden habe, besteht alles, was Sie gegen diese Gemeinde vorzubringen haben, aus einem vagen Verdacht, der noch dazu nicht ganz unvoreingenommen ist, wenn man Ihre eheliche Situation betrachtet. Es gibt also keinerlei konkrete Anhaltspunkte, ob die Leute dort etwas Illegales treiben, und wenn ja, was. Warum sollten sie Ihnen also drohen?«
»Vielleicht, weil ich ihnen gedroht habe?«
»Das wäre ziemlich dumm, meinen Sie nicht?«, entgegnete Koschny nüchtern. »Dadurch würden sie Ihren Verdacht doch nur bestätigen. Mal abgesehen davon, dass sie Ihnen ihre Drohung auch anonym mit der Post schicken könnten und dafür sicher keinen Einbruch riskieren müssten.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Darauf, dass es bei diesem Einbruch möglicherweise um etwas ganz anderes ging und das Foto nur davon ablenken soll.«
Sven grübelte einen Moment über dieser Bemerkung. Erneut musste er sich eingestehen, dass Koschnys analytische Fähigkeiten ihn zunehmend beeindruckten. »Sie meinen, diese angebliche Drohung ist gar keine?« Seine Pulsfrequenz ging allmählich zurück. »Aber wonach könnten die hier gesucht haben?«
Koschny betrachtete eingehend die Bilder. »Nun ja, nach dem Standort der Fotos zu urteilen, hat sich jemand an Ihrem Schreibtisch zu schaffen gemacht. Bewahren Sie dort irgendetwas Wichtiges auf?«
»Nein, nur Büromaterial.«
»Was ist auf Ihrem Computer?«
Sven überlegte. »Nicht viel«, meinte er. »Nur ein paar private Briefe und Fotos. Ich benutze ihn hauptsächlich für E-Mails und fürs Internet.«
»Keine dienstlichen Dokumente?«
»Nein, das wäre auch verboten.«
Koschny zuckte die Schultern. »Dann kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Es sei denn«, fuhr er fort, »Sie entschließen sich endlich dazu, mir alles über diese Todesfälle zu erzählen. Denn eines dürfte klar sein: Irgendjemand legt es darauf an, dass Sie die Beherrschung verlieren und wieder einen Fehler machen.«
»Aber wieso?«
»Aus demselben Grund, aus dem Ihr Kollege sterben musste. Die Vermutung liegt nahe, dass Sie bei Ihren Ermittlungen jemandem auf die Füße getreten sind, der Sie jetzt aus dem Weg haben will. Also sollten wir die Angelegenheit lieber zusammen angehen.«
»Ach ja?« Argwöhnisch blickte Sven zu Koschny auf. »Und wer sagt mir, dass Sie das Kreuz nicht auf das Bild gemalt haben? Immerhin hatten Sie die ganze Nacht Zeit. Und ganz offensichtlich ist Ihnen jedes Mittel recht, um an Informationen zu kommen.«
»Das ist hoffentlich nicht Ihr Ernst«, wehrte Koschny perplex ab.
»Warum nicht? Sie haben doch selbst gesagt, dass Sie gelegentlich übers Ziel
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