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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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Platz. »Setzen Sie sich«, wies er den Reporter an.
    Koschny stand einen Moment unsicher da, bevor er gehorchte. Aids-Forschung , schoss es ihm durch den Kopf. Es gab nicht viel, wovor er Respekt hatte, aber wenn man einem Mann gegenübersaß, der hierzulande auf diesem Gebiet eine absolute Koryphäe war, kam man sich wieder vor wie ein Schuljunge.
    »Entschuldigen Sie meine etwas schroffe Ausdrucksweise am Telefon«, sagte Koschny. »Ich weiß natürlich, dass Sie sehr beschäftigt sind …«
    »Das stimmt«, unterbrach ihn Staude.
    »Ja, und deshalb musste ich so vorgehen. Sonst hätten Sie sich wohl kaum mit mir getroffen, um mir ein paar Fragen zu beantworten.«
    »Nun ja«, entgegnete Staude, nachdem er einen Bissen Kuchen mit Kaffee hinuntergespült hatte, »ich will Sie keineswegs enttäuschen, junger Mann, aber wenn ich nicht das dringende Bedürfnis nach ein paar Kalorien verspürt hätte, wäre ich jetzt nicht hier. Es mag ja sein, dass solche Methoden in Ihrem Metier üblich sind, aber bei mir stoßen Sie da auf wenig Gegenliebe. Ich mag es nicht, wenn man mich unter Druck setzt, das haben schon andere versucht. Und denen habe ich genau dasselbe gesagt.«
    »Wären Sie denn gekommen, wenn ich Sie höflich darum gebeten hätte?«
    Staudes Lächeln wurde breiter. »Ich will Ihnen die Wahrheit sagen«, meinte er und lehnte sich entspannt zurück. »Ich habe mich in erster Linie auf dieses Spielchen eingelassen, weil ich neugierig war. Neugierig auf einen Mann, der mir mit so viel Frechheit begegnet. Wissen Sie, normalerweise schmieren mir die Leute Honig ums Maul und bestreuen ihn anschließend mit Zucker, jedenfalls, solange ich ihnen brauchbare Ergebnisse liefere. Sie sind da eine willkommene Abwechslung.«
    Koschny grinste geschmeichelt.
    »Tja«, meinte Staude, »was sind das denn nun für wichtige Fragen, die Sie mir stellen wollen, junger Mann?«
    »Na ja, im Großen und Ganzen geht es um einen Artikel, der vor einiger Zeit über Ihre Arbeit erschienen ist und in dem unter anderem steht, dass Sie mit Ihren amerikanischen Kollegen Streit über die Entwicklung der Aids-Forschung hatten.«
    »Ja«, meinte Staude, »ich erinnere mich. Allerdings muss ich Sie enttäuschen. Das ist nämlich keineswegs so dramatisch, wie ihr Journalisten es gerne hättet. Es ist zwar richtig, dass ich mit den amerikanischen Forschern gelegentlich aneinandergerate, aber nur, weil sie jede neue Entdeckung sofort zu einer Sensation aufbauschen, ohne sie vorher wissenschaftlich überprüft zu haben. Und damit wecken sie bei den Infizierten ganz bewusst unbegründete Hoffnungen auf ein Wundermittel.«
    »Aber ist es nicht so«, wandte Koschny ein, »dass bereits kurz nach der Entdeckung des Aids-Erregers weltweit ein regelrechter Wettstreit um einen Impfstoff entbrannt ist?«
    »Ich würde es nicht als Wettstreit bezeichnen«, meinte Staude. »Eher als gesunde Konkurrenz.«
    »Und der Gewinner bekommt den Jackpot.«
    »Sie sollten das aus einer anderen Perspektive betrachten.«
    »Wirklich?«, fragte Koschny skeptisch. »Sind wir doch mal ehrlich: Es geht hier schließlich nicht um irgendwelche Computerhardware oder ein neues Handy. Wir reden von der Entdeckung des Heiligen Grals. Ein Impfstoff, der vermutlich in jedem Land dieser Erde rund um die Uhr produziert werden müsste, um die Nachfrage zu decken. Und derjenige, der die Patentrechte dafür besitzt, könnte sämtliche Schweizer Banken sanieren.«
    »Natürlich kann man so denken«, meinte Staude, »wenn man nur den wirtschaftlichen Aspekt eines solchen Mittels sieht. Bitte bedenken Sie aber, dass mit einem solchen Impfstoff eine grausame und tödlich verlaufende Seuche ausgerottet würde.«
    »Es wird immer eine Krankheit geben, gegen die Sie machtlos sind, Herr Professor«, gab sich Koschny unbeeindruckt. »Ebola, BSE , Aids … es ist, als würde die Natur mit allen Mitteln versuchen, unsere Rasse auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Aber den Pharmaunternehmen bietet jede dieser Krankheiten die Möglichkeit, Kapital daraus zu schlagen. Forschung ist eben auch nur ein Geschäft.«
    »Nun«, meinte Staude gelassen, »wer dieser Ansicht ist, hat vermutlich noch nie jemanden an einer tödlichen Krankheit sterben sehen.«
    Koschny senkte den Blick. »Meine Mutter ist vor neun Jahren an Krebs gestorben.«
    »Also, junger Mann, gerade dann müssten Sie meine Arbeit doch unterstützen.«
    »Nein«, widersprach Koschny heftig. »Genau deshalb tue ich es nicht. Die Ärzte

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