Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
Medikament zugelassen ist. Da müssen Millionen an Kapital aufgebracht werden, ohne die geringste Garantie, dass am Ende etwas Einträgliches dabei herauskommt. Es passiert nämlich nicht selten, dass ein Forschungsprojekt einfach eingestellt wird, weil die Kosten den Nutzfaktor übersteigen.« Staude schenkte sich Kaffee nach und trank einen Schluck. »Sie sehen«, fuhr er dann fort, »wie in jedem anderen Geschäft ist auch dieses mit einem Risiko verbunden, zumal es ein ziemlich kostspieliges Geschäft ist. Dementsprechend hoch sind natürlich die Erträge, wenn man Erfolg hat. Aber dagegen ist doch absolut nichts einzuwenden. Rechtsanwälte und Richter arbeiten schließlich auch nicht nur aus Liebe zu den Menschen, nicht wahr?«
»Ich sage ja auch nicht, dass das, was Sie tun, grundsätzlich falsch ist«, verteidigte Koschny seinen Standpunkt. »Ich finde eben nur, man sollte den Dingen gelegentlich ihren natürlichen Lauf lassen und nicht ständig an irgendetwas herummanipulieren.«
Staude seufzte leise und lehnte sich zurück. »Und ich denke, wir Menschen sind nicht mit einem Verstand ausgestattet worden, um den Dingen ihren Lauf zu lassen. Wenn man die Fähigkeit besitzt, etwas zu verändern, sollte man es tun, finden Sie nicht?«
Koschny schwieg.
»Sehen Sie, junger Mann, wenn es damals ein Mittel gegen die Krankheit Ihrer Mutter gegeben hätte, dann hätten Sie sich darauf gestürzt, ohne lange darüber nachzudenken, woher es kommt, was es gekostet oder wie viel irgendwer daran verdient hat, weil es Ihrer Mutter das Leben gerettet hätte. Und genau das versucht die moderne Medizin den Menschen zu geben: Sicherheit. Daran sollten Sie denken, wenn Sie das nächste Mal Ihren Impfpass aufschlagen, denn irgendwann wird dort auch eine Vorsorgeimpfung gegen Aids eingetragen sein. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und genau das ist der Streitpunkt zwischen mir und meinen amerikanischen Kollegen, die bei jedem erfolgreichen Schritt in diese Richtung die Illusion verbreiten, dass es schon übermorgen so weit sei, nur um mehr Gelder für ihre Forschungen bewilligt zu bekommen.« Er rückte sich auf seinem Stuhl zurecht. »Erst vor ein paar Tagen hat man mir eine Probe geschickt, die anscheinend genau diese Illusion erzeugen soll. Ich bin allerdings sicher, dass das wieder nur Schönfärberei ist.«
Koschnys Augen wurden groß. » Wer hat Ihnen diese Probe geschickt?«
Es dauerte einige Minuten, bis Staude erklärt hatte, dass das LKA in Mainz ihn um seine Meinung zu dieser Probe gebeten hatte. Auf konkrete Einzelheiten ging er jedoch nicht ein.
»Die Probe stammt von der Kripo in Koblenz, nicht wahr?«, schloss Koschny. »Und ich wette, sie enthält ziemlich brisante Ergebnisse, sonst hätte man sich wohl kaum an Sie gewandt.«
Staude räusperte sich unbehaglich, als bereue er es, dieses Thema angesprochen zu haben. »Sehen Sie, junger Mann«, wiegelte er ab, »die Leute vom LKA haben sich lediglich an mich gewandt, weil sie im Laufe ihrer Untersuchungen auf etwas gestoßen sind, das sie nicht richtig zu deuten wussten. Da es sich aber um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, bin ich wohl kaum befugt, einem Reporter Auskunft darüber zu erteilen. Wahrscheinlich habe ich schon zu viel gesagt.«
»Das mit den Ermittlungen stimmt«, räumte Koschny ein. »Aber ich habe bis vor einigen Tagen eng mit den dortigen Behörden zusammengearbeitet und bin mit den Fakten vertraut.«
»Sie können mir viel erzählen, junger Mann.« Staude wirkte plötzlich um einiges zugeknöpfter.
Koschny schnaufte ungeduldig. Es war Zeit, seine Taktik zu ändern und zum Angriff überzugehen. »Na schön, wie Sie meinen, Herr Professor. Aber was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass diese Probe vermutlich von einer dreiundsiebzigjährigen Alzheimerpatientin stammt?«
Nun war es der Professor, der Koschnys Ausführungen lauschte. Je länger er ihm zuhörte, desto mehr verdüsterte sich sein Gesicht.
»Ein Altenheim?« Staude sah den Reporter verwirrt an.
»Ja«, bestätigte Koschny.
»Aber das ist doch völliger Blödsinn«, wehrte der Arzt wenig überzeugend ab.
»Und wie erklären Sie sich dann die Ereignisse dort?«
Staude rückte unruhig auf seinem Stuhl herum. »Das können nur Zufälle sein.«
»Zufälle?«, wiederholte Koschny aufgebracht. »Sie halten es tatsächlich für einen Zufall, dass ein Zivildienstleistender, der in diesem Heim beschäftigt war, durch ungeklärte Umstände ums Leben kommt
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