Stern auf Nullkurs (1979)
hebt die Schultern. „Vielleicht irren wir uns, aber es ist sehr wahrscheinlich. Der Ausbruch am Grunde des Tongagrabens und das Zurückweichen der Spiegel von Erg II fallen direkt mit einer Sonneneruption zusammen, die bis weit über die Erdbahn hinausreichte. Sogar der Funkverkehr im Orbit war für Minuten unterbrochen. Der Rat der Exponenten vermutet Zusammenhänge."
„Das sieht nicht gut aus für die Astraten. Die Meinung der Menschen kann durchaus..."
Kregg unterbricht ihn mit einer Handbewegung. „Zweitrangig!" sagt er. „Du weißt, daß Astrat seine Bahn geändert hat. Zur Zeit bewegt er sich senkrecht zur Ekliptik. Doch es kann sein, daß dieser Kurs noch zum Programm gehört, niemand kann das mit Gewißheit sagen."
Kalo will das richtigstellen, möchte Kregg erklären, daß diese Bahn etwas ganz anderes bedeutet, daß sie beweist, die Astraten haben aufgegeben und werden hinausfliegen in den großen Abgrund, einer ungewissen Zukunft und einem sicheren Ende ihrer Evolution entgegen; aber Kregg läßt sich nicht das Wort nehmen.
„Dieser Kurs kann sehr wichtige Aufschlüsse vermitteln", fährt er fort. „Physikalisch betrachtet, fliegen sie auf einer Planetenbahn, nur liegt ihre Bewegungsebene nahezu senkrecht zu der aller natürlichen Planeten. Und eben daraus ergibt sich..."
„...daß die auf die Sonne ausgeübten Kräfte etwa denen entsprechen, die beim Einsteuern auf eine in der Ekliptik liegenden Bahn entstünden. Nur, daß sie sich mit den Kräften der anderen Planeten nicht linear, sondern vektoriell addieren, also geringer bleiben."
„Genau das ist es! Und vielleicht liegt hier die eigentliche Lösung des Problems. Aber ihr habt nicht mehr viel Zeit. Die letzte Meldung der Astraten besagt, daß sie auf dem Punkt der größten Entfernung zur Ekliptik eine Kurskorrektur vornehmen wollen, die sie tangential von der Sonne wegführen wird. Dieser Termin tritt in etwa drei Monaten ein. Bis dahin müssen alle Ermittlungen abgeschlossen sein."
„Möglicherweise ergeben unsere Untersuchungen, daß Astrat wirklich irreparable Schäden an unserem Sonnensystem verursachen würde. Was dann?"
„Fakten muß man akzeptieren. Auch wenn sie uns nicht zusagen. Wir haben dem Rat einen fundierten Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten."
Zufrieden ist Kalo mit der Entwicklung der Dinge ganz und gar nicht, aber daß Kregg recht hat, sieht er ein. Und vielleicht ist es gut, wenn er selber die Untersuchungen leitet, nun, da sie unvermeidlich geworden sind. „Wer wird mich begleiten?"
Kregg lächelt breit. Es wirkt ein wenig boshaft, aber das ist wieder der alte Kregg.
„Der Kern der Merkurgruppe wird unverändert bleiben. Nur Veyt Tonder können wir getrost ersetzen. Einen guten Piloten haben die auf der Station stets zur Verfügung. Außerdem werdet ihr euch durch einen weiteren Kommunikationstechniker verstärken."
Kalo spürt die kleine Spitze in Kreggs Worten, aber er zieht es vor, keine weiteren Fragen zu stellen.
Schon aus großer Entfernung sieht die Stadt anders aus als alle Städte, die er bisher kennengelernt hat. Zwar gleicht auch Arktika wie viele Großstädte einem auf die Spitze gestellten Trichter, aber damit ist die Ähnlichkeit auch erschöpft.
Bereits der Anflug zeigt Ungewöhnliches. Dort, wo Kalo meterdickes Packeis vermutet hat, driften einzelne, glattrandige Schollen über das Meer... Hin und wieder ziehen unter dem Strahlgleiter wattige Nebelbänke hindurch, und das in einer Gegend der Erde, wo man klare, eisige Polarluft erwartet. Schließlich taucht wieder freies Meer auf, glatt und still, eine blaue, spiegelnde Fläche.
Später deuten die weißen Schaumfächer der Luftkissenschiffe auf die Nähe der Stadt hin, und wenige Minuten danach wächst der Koloß selbst aus dem Blau der See.
Als erstes sieht er den Lichtbalken. Wie eine viele Meter dicke Säule aus einer geheimnisvollen, helleuchtenden Materie scheint er aus dem Riesentrichter der Stadt weit in den Himmel zu reichen, Wirklichkeit gewordene Vorstellung der Alten von der Achse, um die sich die Erde dreht. Aber dieser Balken hat keine Konsistenz, verfügt über keine meßbare Masse, dieser Balken steigt auch nicht zum Polarhimmel auf, er ist nichts als eine einzige Säule aus Sonnenlicht, aus Energie, die von mächtigen, im All schwimmenden Spiegeln reflektiert wird. Ein Lichtstrom fließt hier zur Erde, gebündelt durch ein Spiegelsystem von vielen Quadratkilometern Ausdehnung.
Als nächstes erblickt
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