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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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„Santana" in der Straße von Unimak Posten bezogen. Man mußte den Walen auf die Schliche kommen. Oben an Deck wurde es lebendig. Man hörte Schritte und verhaltenes Rufen.
    Renkel hob den Kopf und deutete mit dem Kinn zur Decke. „Sie scheinen zu kommen", sagte er, stemmte sich hoch und stieg den Niedergang hinauf.
    Draußen war es noch kalt, vom Festland her wehte eine leichte Brise und brachte den Frost des Kontinents mit. Casabella schob die Hände bis fast an die Ellbogen in die Taschen. Über dem Meer lag feiner Dunst, die Wellen rollten lang von Süden an, hoben die „Santana" hin und wieder ein wenig und schlugen klatschend gegen die flache Unterseite.
    Renkel stand an Backbord, hatte mit einem Arm die Wanten des Funkmastes umfaßt und spähte durch das Glas nach Süden. In seinem eckigen Gesicht arbeitete es. 
    „Was gibt es?" fragte Casabella. 
    Wortlos reichte ihm Renkel das Glas.
    Das Geschaukel war ekelhaft. Das Glas verstärkte die Bewegungen des Horizontes noch, was das flaue Gefühl im Magen Casabellas merklich steigerte. Langsam aber gelang es ihm, das Auf und Ab auszupendeln, der Horizont kam zur Ruhe.
    Und dann sah auch er sie. Das heißt, die Wale selbst blieben unsichtbar, aber in der Ferne tauchte hin und wieder eine dieser charakteristischen Fontänen auf, die Wale aus den Spritzlöchern ausstoßen. 
    „Blauwale!" sagte Casabella. „Sie kommen schnell näher." 
    Es waren mindestens hundert Tiere, die größten hatten sich am Rande des Zuges formiert, die jüngeren befanden sich in der Mitte. Und sie schwammen mit voller Reisegeschwindigkeit. Das war der normale Nordzug, kein Zweifel, und er fand zwei Monate zu früh statt. 
    Irgendwo plärrte ein Lautsprecher und rief die Leute auf die Stationen.
    Eine halbe Stunde später tauchten Renkel und Casabella ab.
     
    Das Meer war klar, Sichtweite etwas mehr als einhundertzwanzig Meter, die Temperatur bei knapp acht Grad Celsius, Casabella steuerte die Linse fast genau in südliche Richtung, ein wenig ließ er sie nach Unimak abtreiben; erfahrungsgemäß zogen die Wale hier meist ziemlich dicht unter Land entlang.
    Casabella lag bäuchlings in der kugelförmigen Steuerkabine, hinter ihm hatte sich Renkel zwischen Sonargerät und Manipulator geklemmt. Unmittelbar über Casabellas Kopf ragten die Tonträger und Bildschirme des Kontaktwandlers aus der Konsole... Es war eng in der Kabine, aber nicht bedrückend, eher anheimelnd wie in einer gemütlichen Hütte.
    Schon knapp eine Viertelstunde nach dem Abtauchen kamen die ersten Töne aus dem Lautsprecher, ein Knarren. Es klang, als spiele der Wind mit einer schlecht geschmierten Tür. Die Täuschung war um so vollkommener, als auch der dumpfe Knall des Zuschlagens einer Tür nicht fehlte.
    Schließlich beugte sich Renkel ein wenig vor und wies auf das Bullauge.
    „Da sind sie!" brummelte er. „Halt an, Bella!"
    Das Leittier war eine ältere Kuh von eindrucksvollen Dimensionen.
    Als einzige aus der Herde genoß sie das Vorrecht, ihr diesjähriges Junges stets in unmittelbarer Nähe zu haben. Die anderen Wale glitten schemenhaft irgendwo im fernen Dämmer des Meeres als massige dunkle Schatten an die Grenze des Sichtbereiches. Unbeeindruckt zog die Herde näher, entweder nahmen die Tiere das Boot nicht wahr, oder sie beachteten es einfach nicht.
    Renkel griff sich den Adapter, ein schuhkartongroßes Gerät, aus dessen Oberfläche dicht an dicht Saugnäpfe ragten, und quälte sich in die Schleuse. Eine Minute später erschien er vor dem Bullauge, orientierte sich und schwamm auf den Leitwal zu. Wie so oft bewunderte Casabella Renkeis Schwimmstil, dieses gekonnte Gleiten mit den rationellen Bewegungen eines Delphins. Die Monoflosse trieb ihn mit erheblicher Geschwindigkeit durch das Wasser. 
    Einen Augenblick lang glaubte Casabella im Auge des Wals etwas wie Verwunderung oder Unentschlossenheit zu bemerken, aber da war Renkel schon in Höhe der gewaltigen Brustflosse, wendete geschickt, glitt nach oben und griff mit beiden Händen nach der senkrechten Rückenfinne. Beinahe wäre er abgerutscht, dann hätte es keinen Sinn mehr gehabt, den Wal schwimmend zu verfolgen, Renkel hätte zurück an Bord kommen müssen, und sie wären gezwungen gewesen, der Herde kilometerweit zu folgen, um das Manöver zu wiederholen. Aber Renkel schaffte es, und der Wal setzte seinen Weg noch immer unbeeindruckt fort. Auch dann noch, als Renkel den Adapter auf dem Hinterhaupt des Tieres, etwa auf halbem Weg zwischen

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