Stern auf Nullkurs (1979)
des Ausbruchs hatten.
Atto Dyson war unzufrieden. Nicht daß er dazu neigte, über Festlegungen oder Beschlüsse zu debattieren, gewiß nicht, Disziplin war für ihn etwas Unerläßliches, war die Grundlage jeder guten Leitungstätigkeit, an Beschlüsse pflegte er sich unbedingt zu halten, Weisungen führte er aus, ohne Abstriche zuzulassen. Aber niemand konnte ihn hindern, sich Gedanken zu machen. Auch über Weisungen und Beschlüsse.
Für Erg II hätten sie auch einen anderen Leiter gefunden. Und damals für Pluto III auch. Aber so war es nun einmal. Immer wenn er irgendwo heimisch geworden war, hieß es: „Mein lieber Atto Dyson..." Nein, sie wiesen nie an, wenn man es genau nahm, sie erteilten keine Marschbefehle, aber sie wußten auch, daß das bei ihm nicht erforderlich war, es genügte, ihm einen Hinweis zu geben, und er schob die Brille in die Stirn, hob die Schultern, ein wenig Resignation mußte er ihnen schon zeigen dürfen, und dann packte er seine Koffer.
„Mein lieber Atto", sagten sie, „auf der Doggerbank-Farm gehen die Erträge zurück", oder: „Auf Jupiter IV kommt man nicht richtig voran. Der dritte Bauabschnitt macht uns Sorgen. Seit einem Jahr erfüllen sie ihre Pläne nicht. Sieh dir das mal an, Atto. Nimm das mal in die Hand. Versuch mal, ob du das ändern kannst."
Als ob es nur Atto Dyson gäbe. Es gibt Hunderte wie ihn, Hunderte Atto Dysons, aber vielleicht war er eben der einzige, der die Brille in die Stirn schob, unmerklich die Schultern zuckte und die Koffer packte.
Dabei war es doch durchaus nicht sicher, daß jemand, der die Erträge auf der Doggerbank in Ordnung gebracht hat, auch die Baugeschwindigkeit auf Jupiter IV zu steigern vermochte, oder daß jemand, der die Baugeschwindigkeit auf Jupiter IV auf das geplante Maß gebracht hatte, auch Ordnung in die Leitungstätigkeit auf Pluto III zu bringen verstand. Ein guter Schüler muß nicht unbedingt auch ein guter Lehrer werden, der Pilot einer Zubringerrakete konnte sich durchaus oft auszeichnen und als Navigator eines Transporters kläglich versagen.
Vielleicht war es sein Fehler, daß er bisher noch nie versagt hatte. Auch damals auf Pluto III nicht, als der herannahende Dunkelstern Mannschaft und Leitung in Panik zu versetzen drohte. Auf Pluto III hätte er sich heimisch fühlen können, das war eine Aufgabe, für die er sich begeistern konnte.
Und nun saß er hier auf dem Pol, kilometerhoch über dem Wasser, und ärgerte sich über die Energiespiegel von Erg II. Dies hier war eine Sache, die ihn überforderte. Seit Tagen wichen die Spiegel ohne erkennbare Ursache weiter und weiter zurück. Es war abzusehen, daß sie sich irgendwann destabilisieren würden, aber es war nicht abzusehen, wann diese Kathastrophe eintreten würde.
Seit seiner Ankunft saß er vor dem Videogramm, versuchte sich in die Figuren und Farben hineinzudenken, aber es gelang ihm nicht, hinter die Dinge zu blicken. Die Spiegel wichen nach wie vor zurück. Aber weshalb taten sie das? Darüber gab das Videogramm keine Auskunft.
Atto Dyson wußte, daß etwas zu geschehen hatte. Er drückte die Ruftaste. „Mahella!"
Wie stets meldete sie sich sofort. „Ja, bitte?" Sie hatte eine kehlige Stimme, eine Stimme, die so dunkel war wie ihre Haut.
„Mahella, ich habe eine Idee. Ich weiß nicht, ob sie besonders gut ist, aber..."
„Ich glaube, wir sollten jetzt jede Chance nutzen", sagte sie leise. „Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig. Laß das Band mit den Aufzeichnungen der letzten beiden Tage an Kregg überspielen. Gib ihm den Hinweis, er solle das Zurückweichen der Spiegel mit den Amplituden der Sonnenaktivität vergleichen. Vielleicht ergibt sich ein Zusammenhang. Sollte das der Fall sein, geht die Auswertung sofort an den Rat."
Mahella schwieg einen Augenblick lang. „Hast du mich verstanden, Mahella?"
„Natürlich habe ich... Aber das bedeutet doch... Könnten wir denn nicht selbst...?"
„Wir haben keine Zeit mehr, Mahella. Dies ist keine Angelegenheit, bei der ich mir eine Nachlässigkeit leisten könnte. Das Leben Tausender ...", erwiderte Dyson.
„Ich mache das Band sofort fertig, Atto", sagte Mahella, und in der dunklen Stimme war plötzlich eine Spur von Wärme. Und vielleicht auch ein wenig Bedauern, aber niemand bedauerte mehr als er, daß ihnen keine andere Lösung blieb.
Kalo Jordan wirft die Blätter zurück auf den Tisch. „Auch hier die Astraten?" fragt er. „Auch bei Tonga und über Arktika?"
Kregg
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