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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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diesem Land waren offensichtlich nicht auf Waihes Seite, sonst hätten mit Sicherheit sie diese Nachricht kundgetan.
    Das schien der alte Mann in der gelben Kutte ebenso zu sehen, denn er schüttelte den Kopf. »Die heiligen Riten müssen befolgt werden, wenn nicht Unglück über unser Volk kommen soll. Erst wenn der oberste Priester des Reiches seine Unterschrift und sein Siegel auf diese Verlautbarung gegeben hat, ist Waihes Thronbesteigung rechtens.«
    Hubais Gesicht färbte sich unter der gelben Schminke dunkel. »Willst du mich belehren, was Recht und Unrecht ist, alter Narr?«
    »Ich sage das, was ich sagen muss. Bringe den schriftlichen Thronverzicht des Erbprinzen sowie die Bestätigung aus der Hand des obersten Priesters, und wir werden Waihe in unsere Gebete einschließen. Bis dahin ist er jedoch nur der oberste General, der dem Kronrat untergeordnet ist.«
    Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle Hubai den Alten mit der flachen Klinge schlagen, senkte dann aber mit einem ärgerlichen Knurren den Arm. »Sei beruhigt, Priester! Die heiligen Riten werden befolgt, so will es auch General Waihe. Bis dies geschehen ist, werdet ihr seinen Anordnungen gehorchen, als kämen sie vom König. Tut ihr es nicht, werde ich meine Soldaten in diese Stadt einquartieren.«
    Wären die Blicke, die er für diese Worte von den Dörflern erntete, Pfeile gewesen, er wäre zu einer Stachelfrucht geworden. Gleichzeitig aber wirkten die Leute so ängstlich, als stände ihnen kein Mensch, sondern ein fürchterliches Ungeheuer gegenüber. Laisa glaubte nun, die Absicht hinter Hubais Auftritt zu erkennen. General Waihe wollte das Reich so rasch wie möglich unter Kontrolle bringen, um die Anhänger des jungen Prinzen einzuschüchtern, so dass sie nicht wagten, sich gegen seine Herrschaft aufzulehnen. In ihren Augen zeugte dies von der Nervosität des rebellischen Feldherrn, der zwar die Macht über das Heer besaß, aber genau wusste, dass die königliche Abstammung Punjis in gerader Linie für die einfachen Menschen mehr zählte als die eines entfernten Verwandten. Zudem schien sich auch die Priesterschaft im Moment noch gegen Waihes Ansprüche zu stemmen.
    Doch wie lange noch?, fragte sie sich. Wenn Punji tot war oder wenigstens als tot galt, würde Waihe der nächste Prätendent auf den Thron sein. Hätte der Junge nach dem Tod seines Vaters nicht so besonnen reagiert und mit seinem Lehrer die Flucht ergriffen, wäre der Rebellengeneral bereits am Ziel.
    In Gedanken versunken bekam Laisa beinahe nicht mit, dass Hubai mit seinen Truppen abrückte. Erst als sie die barschen Befehle der Offiziere am Tor vernahm, begriff sie, dass es auch für sie höchste Zeit war zu verschwinden. Die Dörfler standen zwar noch zum größten Teil auf dem Marktplatz herum und redeten miteinander, doch ein Teil kehrte bereits an seine Arbeit zurück und bevölkerte die Gassen. Daher blieb ihr nur der Weg über die Dächer, und sie machte sich eilig davon.
    ☀ ☀ ☀
    Der Auftritt in der Stadt hatte Laisa gezeigt, dass es bei weitem nicht so schlecht um Punjis Sache stand, wie der Prinz annahm. Die einfachen Leute in Tanfun waren zwar zu verängstigt, um die Waffen für ihn zu ergreifen, würden aber seinen Verwandten niemals ohne Einverständnis der Priesterschaft als neuen König akzeptieren. Daher konnte Waihe seine Herrschaft nur mit Gewalt durchsetzen. Mit seinen Methoden aber würde er sich auch noch das letzte Wohlwollen des Volkes verscherzen und wahrscheinlich jene Aufstände provozieren, die er unter allen Umständen vermeiden wollte.
    Laisa hatte nicht vor, so lange zu warten, bis der Volkszorn von selbst überkochte. Daher begann sie noch in der folgenden Nacht, die Pläne, die sie während Hubais Auftritt gesponnen hatte, in die Tat umzusetzen. Als Erstes nahm sie sich seine Festung vor, die mit ihren drei niedrigen Türmen und den geschwungenen Dächern in den Farben Weiß, Gelb und Grün reichlich seltsam wirkte. Obwohl bereits drei der sechs Monde am Himmel standen, war es für sie ein Leichtes, ungesehen den Fuß der nach innen geneigten Mauer zu erreichen, hochzuklettern und hinter dem Rücken der Wachen in die Burg einzudringen. Die Behausungen der einfachen Soldaten und die meisten Ställe befanden sich an der dicken Wallmauer. Das Zeughaus und der Prachtbau des hiesigen Gouverneurs aber lagen inmitten einer freien, von kleinen Kieselsteinen bedeckten Fläche. Gleich neben diesen Bauwerken stand der Trommelturm, der benutzt

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