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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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machten, gab Laisa die Gelegenheit, sich in aller Ruhe ein gutes Versteck zu suchen. Sie wählte das Dach eines Schuppens neben einem Metzgerladen, jedoch nicht, ohne vorher einen zum Verkauf ausliegenden Lammschlegel mitzunehmen. Ihr Gefühl für Ehrlichkeit brachte sie allerdings dazu, an die Stelle des Schlegels eine Silbermünze zu legen.
    Während sie genussvoll auf ihrer Beute herumkaute, beobachtete sie das Treiben auf dem Marktplatz. Der Anführer der Soldaten, der prächtiger gerüstet war als jeder andere Tanfuner, den Laisa bisher gesehen hatte, zügelte sein Pferd genau in der Mitte des Platzes und ließ es sich einmal um die eigene Achse drehen. Einer seiner Untergebenen ritt auf die Dörfler zu, die in dichten Trauben heranströmten, und hielt einen von ihnen auf.
    »Sorge dafür, dass sich alle Leute hier versammeln! Der erhabeneHubai, Gouverneur der Nordprovinz, hat eine wichtige Nachricht zu verkünden.«
    Der Angesprochene zuckte bei den harschen Worten zusammen. »Sehr wohl, Herr. Wir kommen!« Eifrig drehte er sich zu seinen Leuten um und wies sie an, einen großen Gong zu schlagen, der auf der anderen Seite des Platzes stand. Kurz darauf dröhnten mehrere kräftige Töne über das Land und riefen auch den letzten Bauern, der sich auf seinem Feld befinden mochte, ins Dorf zurück.
    Laisa sah verblüfft, dass selbst Kranke in ihren Betten zum Dorfplatz getragen wurden. Dort ballten sich die Leute zuletzt so stark zusammen, als hätten sie Angst, den Soldaten zu nahe zu kommen. Tiehu hatte ihr seine Landsleute als arbeitsame, friedliche Menschen geschildert, doch so mancher senkte den Kopf nicht aus Demut, sondern damit die Bewaffneten seine zornigen Blicke nicht bemerkten. Laisa spürte die Erregung der Leute und fragte sich, ob man sie nicht doch zu einem Aufstand gegen Waihes Militärregime aufstacheln könnte.
    Unterdessen ließ der Anführer Stille befehlen, und es wurde schlagartig so ruhig, dass Laisa sogar mit dem Kauen aufhören musste, um nicht bemerkt zu werden.
    Hubai ließ seinen Blick über Bauern, Handwerker, Frauen und Kinder schweifen und versuchte, gleichermaßen grimmig und überlegen auszusehen. Trotzdem schluckte er mehrmals, als wäre seine Kehle zu trocken, und er ratterte seine ersten Worte so rasch herunter, dass sie kaum zu verstehen waren. Dann hatte er sich aber wieder im Griff und ließ seine Stimme so laut erschallen, dass sie von weiter entfernten Gebäuden zurückgeworfen wurde.
    »Frauen und Männer von Tanfun, hört den Willen des großen Gottes Talien. Er hat unseren hochgeehrten König und Herrn Punlo zu sich gerufen und wird ihm einen würdigen Platz in seiner Seelenhalle zuweisen. In seiner Weisheit hat König Punlo beschlossen, nicht seinen schwächlichen kleinen Sohn Punji mit der schweren Aufgabe zu belasten, sein geliebtes Reich durch die Stürme dieser Zeit und den drohenden Krieg mit den Völkern des Ostens zu leiten. Vielmehr hat er dem ruhmreichen General Waihe, seinem Vetter, diese Bürde auf die Schultern gelegt und diesen dem großen Talien als neuen König von Tanfun empfohlen. Von diesem Tage an ist es Pflicht, in den Tempeln und Gebetsnischen des Reiches für das Wohl unseres neuen, hochverehrten König Waihe zu beten.«
    Wenn der Sprecher Beifall erwartet hatte, wurde er enttäuscht. Die Leute schwiegen und schienen sogar entsetzt zu sein. Ein alter Mann in einer langen gelben Kutte und einem großen gelben Symbol auf seiner ausrasierten Stirn trat auf Hubai zu.
    »Du sprichst von einem neuen König, als sei seine Thronerhebung bereits beschlossen und erfolgt. Doch was sagt der Erbprinz dazu, was die Hohe Priesterschaft unseres Reiches und was der hochwürdige Heilige Synod des gelben Tempels in Edessin Dareh?«
    »Der Erbprinz ist erleichtert, dass ihm die Krone nicht auf sein schwaches Haupt gesetzt wurde, und die Hohe Priesterschaft begrüßt die Thronerhebung General Waihes. Nur er allein vermag Tanfun zu retten, wenn die Horden T’wools und seine Vasallen über den Strom brechen werden wie eine Flut, die alles vernichten will.«
    »Warum verkündest dann du den Thronwechsel und nicht einer unserer Hohen Priester?«, bohrte der Alte nach.
    Auf Hubais Antwort war auch Laisa gespannt, denn der Mann hatte eben nichts als Lügen erzählt. Punji mochte zwar jung sein, aber er war alles andere als schwächlich und vor allem nicht im Geringsten bereit, zugunsten seines Verwandten auf den Thron zu verzichten. Auch die Spitzen der Priesterschaft in

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