Stern der Göttin
herein.«
Der Junge stellte sich in den Steigbügeln auf und blickte sich um. Auf den Gedanken, nach oben zu sehen, kam er jedoch nicht, und so bemerkte er Laisa und Rongi nicht. Dafür aber entdeckte er die Pferde, die in der Nähe des Sees angebunden waren. Sofort hob er die Hand, um seinen Begleiter zum Schweigen zu bringen, und zog das Schwert, das an seinem Sattel hing. Für einen erwachsenen Mann wäre es nur ein Spielzeug gewesen, doch die Schneide wirkte scharf, und der Junge hielt die Waffe so, als könne er damit umgehen.
Sein Begleiter stieß einen erstickten Laut aus. »Es sind gewiss die Schurken, die uns der Rebell Waihe auf den Hals gehetzt hat. Flieht, mein Prinz. Ich versuche, sie aufzuhalten.«
Laisa fand die Worte des Alten lächerlich, denn zum einen besaß er keine Waffe, und zum anderen wirkten beider Pferde so müde und abgetrieben, dass sie nicht einmal mehr zu einem schnellen Trab, geschweige denn zum Galopp in der Lage waren. Der junge Prinz schien das ebenso zu sehen, denn er wich nicht von der Seite seines Begleiters. Da die beiden ihre Gäule direkt unter Laisa angehalten hatten, konnte diese sie von oben unbemerkt betrachten.
Die Pferde waren um einiges kleiner als die, welche sie und ihre Freunde besaßen, und der Alte hockte erbärmlich ungelenk im Sattel. Er schien es weder gewöhnt zu sein, längere Strecken zu Pferd zurückzulegen, noch war der lange, gelb schimmernde Talar, den er anhatte, für einen weiten Ritt geeignet. Auf dem Kopf saß ein lächerlich kleines Barett mit zwei Flügeln, dazu hatte er sich einen langen Bart wachsen lassen und gelb gefärbt.
Der Junge wirkte um einiges kriegerischer als sein Begleiter und benahm sich so umsichtig wie ein Erwachsener. Bekleidet war er mit festen Hosen und einer vorne geschlossenen Weste, beide in kräftigem Gelb, sowie einem kleinen Brustschild mit dem Zeichen des gelben Gottes. Den Kopf schützte er mit einem spitz zulaufenden Helm, an dem ein lederner, bis auf den Rücken fallender Nackenschutz befestigt war.
Das sind also Anhänger des Gottes Talien, sagte Laisa sich, während der Junge sein Pferd vorwärtstrieb und die am See Lagernden mit lauter Stimme aufrief, sich zu erkennen zu geben.
Mut hat der Hänfling ja, dachte Laisa amüsiert und übersah beinahe, dass sich die Situation urplötzlich zuspitzte. Kaum hatte der Alte nämlich Ysobel mit ihrem leuchtend violetten Haar entdeckt, begann er, wie am Spieß zu schreien.
»Eine Dämonin der Linirias! Wir sind verloren!«
»Es ist ehrenvoller, im Kampf gegen ein solches Wesen zu sterben, als von den eigenen Verwandten ermordet zu werden!«, antwortete der Junge und trieb sein Pferd an, um auf Ysobel loszugehen.
Diese stand breitbeinig am Ufer, das Haumesser in der Hand, das ihr sowohl als Werkzeug wie auch als Waffe diente, und bleckte die Zähne. »Komm her, du gelbes Bürschchen! Gleich wird von dir nicht mehr genug übrig sein, damit deine Seele zu deinem verdammten gelben Götzen kriechen kann!«
Laisa brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass die beiden bereit waren, einander wegen der Farbfeindschaft zwischen Violett und Gelb an die Kehle zu gehen. Mit einem mächtigen Satz schnellte sie von ihrem Ast, landete hinter dem Rücken des Jungen auf dessen Pferd und pflückte ihn wie eine übergroße Waldbirne aus dem Sattel.
Das Kinderschwert flog durch die Luft und blieb irgendwo im weichen Moos stecken.
Doch damit war die Gefahr noch nicht gebannt, denn blind vor Mordgier stürmte Ysobel auf sie und den Jungen zu und riss das Haumesser zum Schlag hoch. Mit einem wütenden Fauchen landete Rongi auf ihrem Kopf und schnappte mit seinen Zähnen nach ihrem Arm.
»Bist du verrückt geworden?«, schrie Laisa ihre Freundin an, während sie selbst alle Kräfte brauchte, um den tobenden Jungen festzuhalten.
Da Ysobel Rongi heftige Schläge versetzte, um ihn loszuwerden, gab Borlon ihr eine Ohrfeige. »Was soll der Unsinn?«, brüllte er.
»Der Kerl ist gelb!«, zischte Ysobel.
»Na und? In der Festung waren Schwarze. Ich bin denen auch nicht an die Kehle gegangen. Außerdem wusstest du, dass Tanfun ein gelbes Land ist, und konntest dir ausrechnen, auf Talien-Anhänger zu treffen.«
Laisa schüttelte den Jungen, der einfach nicht Ruhe geben wollte. »Hätte ich gewusst, dass hier alle so durchdrehen, hätte ich darauf bestanden, durch die Ödlande zu ziehen.«
Langsam wurde Ysobel bewusst, wie sie sich aufgeführt hatte, und ließ das Haumesser sinken. »Es tut mir
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