Stern der Göttin
bezogen.«
»Ist das nicht ein bisschen früh?« Laisa deutete auf die Sonne, die zwischen den Bäumen zu erkennen war und noch mehr als zwei Handbreit über dem Horizont stand.
Rongi machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wir sind ja nicht auf der Flucht. Ob wir jetzt einen Tag eher zu Borlons Leuten kommen oder nicht, kann uns doch nicht stören.«
Damit hatte der Katling zwar recht, aber Laisa war neugierig auf das Land, das sie durchqueren mussten, und auf dessen Bewohner. Das Reich Tanfun erstreckte sich südlich der Ödlande bis an den Bärenfluss und sollte im Gegensatz zu der Gegend, aus der sie kamen, dicht besiedelt sein. In diesem Wald merkte man jedoch noch nichts davon. Borlon, der sich in dieser Gegend ein wenig auskannte, war allerdings nicht sicher, ob sie bereits tanfunischen Boden betreten hatten oder sich noch im Niemandsland zwischen diesem Reich und den verseuchten Gebieten aufhielten.
Nicht zuletzt deshalb hätte Laisa es gern gesehen, wenn sie noch ein, zwei Stunden weitergeritten wären. Als sie jedoch die Stelle erreichten, an der Borlon die Pferde angebunden hatte, wurde ihr klar, dass sie Naika an diesem Tag nicht mehr in ihre Tragesänfte bringen würde. Vor ihr lag ein stiller Waldsee, in dem sich mächtige Bäume mit seltsam gelben Blättern und fast gleichfarbenen Blüten spiegelten. Naika planschte fröhlich im Wasser und winkte ihr lachend zu.
»Das ist herrlich! Wie lange habe ich einen so großen Teich vermisst.«
Borlon, der in der Nähe des Ufers ein kleines Feuer entzündet hatte, grinste unsicher. »Ich konnte Naika nicht daran hindern. Kaum hatte sie den See entdeckt, trieb sie die Pferde hierher und hechtete hinein. Was hätte ich tun sollen?«
»Gar nichts! Wie Rongi schon sagte, befinden wir uns nicht auf der Flucht.« Laisas Blick streifte die Wanne aus Leder, die sie für die Nixe gemacht hatten. Da Wasser ständig übergeschwappt wäre, hatten sie Naika in feuchte Tücher gehüllt, damit ihre Haut nicht austrocknete. Obwohl sie behauptet hatte, der Transport wäre so weitaus bequemer, als wenn sie den Weg kriechend zurücklegen müsste, war es doch nur eine erbärmliche Alternative zu einem ausgiebigen Bad in einem See.
Laisa seufzte bei der Erinnerung an die letzten Tage. Sie hatten die verborgene Festung in den Bergen vor drei Tagen verlassen und waren südwärts geritten, nachdem es Naika als der am besten Ausgebildeten der Gruppe gelungen war, die Tore der Festung mit einem neuen magischen Schlüssel zu versehen. Dieser war auf sie und Laisa eingestellt, so dass nur eine von ihnen in der Lage war, die Festung zu betreten.
Laisa hatte sich als gelehrige Schülerin erwiesen und sich das zur Bedienung des Schlüssels nötige Wissen wie im Flug angeeignet. Die Tatsache, dass sie die für sie neue Magie so rasch beherrschte, hatte ihr allerdings das trügerische Gefühl gegeben, sie würde alles andere ebenso leicht erlernen. Daher ärgerte es sie, dass sie sich beim Reiten so schwertat.
Um keine Zeit zu vergeuden, grinste sie die Tivenga auffordernd an. »Was meinst du, wollen wir jetzt den Sattel ändern?«
Ihre Freundin wiegte unschlüssig den Kopf. »Eigentlich wäre es besser, das im nächsten Dorf machen zu lassen, ich habe nämlich nichts bei mir, um das Leder des Sattelriemens durchzustechen.«
»Meinst du, dass es so geht?« Laisa nahm den Riemen in die Hand, setzte die Krallen von Daumen und Zeigefinger an und drückte zu. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie das zähe Leder durchbohrt.
»Sehr gut! Aber du musst die Löcher an den Stellen machen, die ich dir zeige. Vorher will ich jedoch etwas essen. Ich hätte nichts gegen einen Fisch aus diesem Teich. He, Naika, was meinst du, lohnt es sich, eine Angel zu basteln?«, rief sie der Nixe zu.
Naika schüttelte lachend ihren Kopf. »Wozu brauchst du eine Angel, wenn du mich hast?« Sie tauchte, kam kurz darauf wieder zum Vorschein und hielt zwei prächtige, unterarmlange Fische in den Händen.
»Hier, fangt auf!« Mit diesen Worten warf sie die Fische Ysobel und Borlon zu.
Laisas Augen leuchteten begehrlich auf. »Ich möchte auch einen Fisch haben.«
»Und ich auch!«, krähte Rongi.
Die Nixe tauchte ein zweites Mal unter. Keine drei Herzschläge später flog ein Riesenfisch aus dem Wasser, der so groß war, dass Rongi ihn kaum festhalten konnte. Borlon kam ihm zu Hilfe und schlug die noch zappelnde Beute hart gegen einen Baum.
»Soll ich ihn dir braten?«, fragte er den Katling.
Rongi nickte
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