Stern der Liebe ueber Kenia
spürte plötzlich nur noch Rands kraftvolle Hand, seine Finger, ihre Wärme. Ihr Herz begann zu jagen.
Einen Augenblick lang, der ihr wie eine Ewigkeit erschien, standen sie einfach nur da, sahen sich an und wagten nicht zu atmen. Dann ließen sie den Ohrring beide gleichzeitig los, der aus dem Haar glitt und auf dem Holzboden hinter ein Stuhlbein rollte. Rand holte ihn hervor und legte ihn Shanna auf die Hand, ohne sie zu berühren.
"Danke", hauchte sie.
"Gern geschehen."
Dann ging sie an Rand vorbei durch die Diele, während er sich ins Arbeitszimmer zurückzog.
In ihrem Zimmer angekommen, setzte Shanna sich auf die Bettkante und atmete einige Male tief durch, um ruhiger zu werden.
Vielleicht war es ein Fehler, hergekommen zu sein. Sie hätte doch lieber in ihrem Hotel in Nyahururu bleiben sollen.
Nein, sagte eine leise innere Stimme. Du warst neugierig auf Rand Caldwell.
Um sich abzulenken, stand Shanna auf und griff nach dem dicken Polsterumschlag, den sie beim Auspacken auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie öffnete ihn und zog mehrere Notizbücher und einen Stoß handbeschriebener Seiten heraus.
Die persönlichen Tagebuchaufzeichnungen ihres Vaters. Vier Jahre umfassende Beobachtungen, Notizen, Anekdoten, die er während seines Aufenthalts in Kanguli festgehalten hatte.
Anhand der Tagebücher hatte ihr Vater ein Buch zu schreiben begonnen, das erst halb fertig gewesen war, als ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben kam.
Lange hatte Shanna nicht den Mut aufgebracht, die Tagebücher zu lesen. Als sie es endlich konnte, war sie in eine Welt von Gefühlen eingetaucht. Auf seine unverwechselbare, humorvoll und gleichzeitig menschlich anrührende Art berichtete ihr Vater über Menschen und Tiere, über Leben und Liebe in Afrika.
Shanna hatte geweint und gelacht, und ihr war klar geworden, dass sie dieses Buch zu Ende schreiben musste. Das Werk ihres Vaters musste anderen zugänglich gemacht werden. Und da sie sein schriftstellerisches Talent geerbt hatte, war sie dazu vorbestimmt, seine Arbeit zu vollenden.
Sie hatte einen Verleger gefunden, der sich für das Buch interessierte, und einen Vertrag unterschrieben. Mit dem Vorschuss und dem Geld aus Lebensversicherungen ihrer Eltern konnte sie auf unbestimmte Zeit in Afrika bleiben.
In den nächsten Tagen würde sie Nick Bescheid geben, dass sie in Kanguli bleiben und Ende der nächsten Woche nicht mit ihm in die Staaten zurückfliegen würde.
In ihr Apartment, wo so vieles sie an Sammy erinnerte, wollte sie nicht zurückkehren. Hier, in einer anderen Umgebung und mit einer Arbeit, die sie forderte, würde es ihr leichter fallen, ihr Leben neu zu ordnen.
Shanna setzte sich an den Schreibtisch, schaltete ihren Laptop ein und vertiefte sich in die Aufzeichnungen.
Als Shanna drei Stunden später aufstand, fühlte sie sich steif und müde, aber sie hatte viel geschafft. Zu aufgewühlt, um gleich schlafen zu können, verließ sie ihr Zimmer und huschte über den Gang zur Veranda.
Die Nachtluft war angenehm kühl, und nur die Sterne und der Halbmond verströmten ein mattes Licht. Shanna entspannte sich. Die Welt um sie her war dunkel und von unheimlichen Lauten erfüllt. Unten in der Schlucht schliefen oder jagten Tiere. Hier befand sie sich inmitten einer wilden, unbezähmbaren Landschaft voller Gefahren ...
Hinter sich hörte sie Schritte, dann stand Rand, ein Glas in der Hand, hinter ihr.
Klopfenden Herzens betrachtete Shanna ihn in dem schwachen Mondlicht. Er war wie die Schlucht unter ihr urtümlich und geheimnisvoll.
Und gefährlich. Er konnte ihr wehtun.
Shanna erschauerte. Wieso kamen ihr solche Gedanken?
"Sie sind so spät noch auf?" sagte Rand ruhig.
"Ich habe gearbeitet und bin zu aufgeregt, um schlafen zu können.“
"Aufgeregt?"
"Irgendwie kann ich immer noch nicht recht glauben, dass ich nach all den Jahren wieder hier bin. Ich hatte Angst…“
"Angst? Wovor?"
"Meine Erinnerungen zu zerstören. Enttäuscht zu werden."
"Aber Sie sind es nicht."
"Nein. Nicht im Geringsten!“
Ein Fauchen drang durch die Dunkelheit. "Ein Leopard", sagte Rand. "Unten in der Schlucht."
Ein Leopard.
Unwillkürlich legte Shanna die Anne um sich.
"Kalt?“ fragte Rand höflich.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, nur ... überwältigt, glaube ich."
Eine Weile standen sie schweigend da.
Endlich blickte sie Rand an, dessen Gesicht sich im Schatten befand. "Haben Sie je daran gedacht, nach England oder in die Staaten überzusiedeln?"
"Nein",
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