Stern der Rebellen
vor dem Richter hatte sich der Berater aufgebaut, den Kopf fast bis zur Unkenntlichkeit mit Plastimull umwickelt. Er nickte schmerzlich bei jedem Anklagepunkt, den der Richter anführte.
Sie hatten ihn im Shuttle aufgespürt, wo er sich unter einigen Decken versteckt hatte; um ihn herum lagen gestohlene Schiffsvorräte verstreut. Noch während er die Nachricht an Vulcan hinuntersandte, entschuldigte sich der Kapitän ein ums andere Mal. Er hatte so einiges über Vulcan gehört.
»Wir können dir nicht helfen«, sagte er. »Vor dem Start schickt Vulcan Sicherheitskräfte auf jeden Frachter, die alles nach Leuten wie dir absuchen.«
Sten sagte nichts.
»Versteh doch«, sagte der Kapitän. »Ich kann das Risiko nicht eingeben. Wenn ich dir helfe und dabei erwischt werde, zieht die Company meine Handelspapiere ein. Dann bin ich erledigt. Nicht nur ich. Ich muss auch an meine Mannschaft denken …« Sten erwachte aus seiner Starre, als ihn ein Wachmann rüde an stieß. Der Richter war fertig. Zeit für den Urteilsspruch. Wie würde er ausfallen? Gehirnausbrennen? In diesem Fall hoffte Sten, dass er noch genug Verstand übrigbehielt, um Selbstmord zu begehen.
Der Richter erhob die Stimme: »Dir ist, wie ich hoffe, das Ausmaß deiner Straftaten bewusst?«
Sten dachte daran, den demütigen Mig zu spielen. Zum Teufel damit, dachte er dann. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Statt dessen starrte er den Richter kalt an.
»Verstehe. Berater, haben Sie etwas vorzubringen, was die Umstände dieser Vorwürfe mildern könnte?«
Der Berater wollte etwas sagen, schüttelte dann aber nur den Kopf.
»Na schön. Da du, Karl Sten, noch jung an Jahren bist und der Company noch viele Jahre nützlich sein kannst, wir andererseits auch nicht unmenschlich sein und die Möglichkeit der Reue nicht ausschließen wollen, werde ich dich wieder in den Arbeitsprozess eingliedern.«
Einen kurzen Augenblick lang keimte Hoffnung in Sten auf.
»Dein neuer Betätigungsbereich befindet sich in der Exotiksektion. Bis auf unbestimmte Zeit. Wenn sich die Umstände ähem – dementsprechend gestalten, werde ich mich nach einer angemessenen Zeitspanne deines Urteils noch einmal annehmen.« Der Richter nickte und berührte die INPUT-Taste auf seiner Konsole. Die Wachmänner führten Sten ab. Er wusste nicht genau, was der Richter damit meinte. Oder wie sein Urteil lautete. Er wusste nur, dass sein Verstand noch intakt und er noch am Leben war.
Als er sich an der Tür noch einmal umdrehte, konnte er am Grinsen des Beraters ablesen, dass das nicht unbedingt lange so bleiben musste.
Kapitel 7
»Alles eine Frage der Entropie, aber klar doch«, sagte der ältere Mann und hob seinen Becher.
Sein jüngerer Kollege neben ihm, im glänzenden Overall eines Raumkreuzeroffiziers, kicherte und knallte die Stiefel auf den Tisch. Das Namensschild auf seinem Overall wies ihn als RASCHID, H.E., MASCHINENOFFIZIER aus.
»Was ist denn daran komisch?« erkundigte sich sein älterer Kollege streitlustig und ließ den Blick über die vier anderen Raumfahrer wandern, die um den Tisch in der Taverne versammelt waren. »Das sind meine Offiziere, und sie haben nicht gehört, dass ich was Komisches gesagt hätte, oder?«
Raschid sah sich um und grinste breit, als es wie im Chor »Nein, Sir« zurückkam. Dann hob er den eigenen Becher mit beiden Händen an und leerte ihn in einem Zug.
»Noch ’ne Runde! Mannomann, seit ich als Stewardgehilfe anfing, hab ich schon vielen verlausten Pennern wie euch zugehört. Immer heißt es, alles geht den Bach runter, allen geht’s so schlecht.«
Das Barmädchen – die größte und einzige Attraktion der Raumhafenkneipe – schob weitere Becher über den langen polierten Aluminiumtresen heran. Raschid blies den Schaum von seinem Bier und nahm einen kräftigen Schluck.
»Wenn man sich mit Idioten unterhält«, sagte er, »wird man schnell durstig. Selbst wenn es sich dabei um hochbezahlte Raumkreuzer-Kapitäne handelt.«
Der Kapitänsmaat zuckte mit den Schultern – eine Bewegung, die ihn schon auf Hunderten von Welten vor Schlägereien bewahrt hatte – und starrte finster vor sich hin. Wieder lachte Raschid auf.
»Wenn einer zu alt wird, um selbst zu pissen, findet er meistens einen Dödel, der es für ihn erledigt. Ich verrate dir was, Käpt’n: wenn du mir auch nur ein gutes Beispiel dafür nennst, dass alles immer mieser wird, glaube ich dir vielleicht – aber nur vielleicht.«
Der Kapitän stürzte sein Bier
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