Stern der Riesen
Grundlage wuchsen, bauten Städte, entwickelten Kunst und Landwirtschaft und bauten Schiffe und einfache Maschinen, aber es ist ihnen nie gelungen, die Naturwissenschaften zu entwik-keln, die ihnen die Tür zu wahrer Macht aufgestoßen hätten. Sie waren harmlos.«
Unter den Thuriern breitete sich ein dumpfes Gemurmel aus, als würden manche von ihnen erst jetzt die ganze Tragweite der Entdeckung der Terraner erfassen. »Und wie steht es mit der späteren Geschichte der Erde?« fragte Calazar hauptsächlich wegen der Thurier, die über die ganze Angelegenheit nicht so gut Bescheid wußten wie er.
»Das gleiche Muster läßt sich bis in die Neuzeit verfolgen«, antwortete Heller. »Die Heiligen und Erscheinungen, die dadurch Legenden schufen, daß sie Botschaften über-mittelten und Wunder taten, waren von Jevlen ausgeschickte Agenten, die die glatte Weiterführung dieser Politik garantieren sollten. Die Kulte und Bewegungen, die den Spiritismus und den Glauben an das Okkulte förderten und für die Parapsychologie und anderen Unsinn dieser Art eintraten, der im neunzehnten Jahrhundert in Europa und Nordamerika Mode war – all das stellte einen Versuch dar, den Fortschritt der echten Wissenschaft und der Vernunft zu verzögern. Und selbst noch im zwanzigsten Jahrhundert waren die sogenannten Reaktionen der Öffentlichkeit gegen die Naturwissenschaft, die Technologie, echtes Wirt-schaftswachstum, Kernenergie und ähnliches mehr in Wirklichkeit sorgfältig gesteuert.«
»Ihre Antwort?« fragte Calazar kurz und starrte Broghuilio an.
Broghuilio verschränkte die Arme, holte tief Luft, drehte sich langsam um und sah direkt in Hellers Richtung. Er schien sich inzwischen wieder gefaßt zu haben, war aber offensichtlich noch immer weit davon entfernt, seine Niederlage einzugestehen. Er sah die Terraner einige Sekunden lang trotzig an und wandte sich dann Calazar zu. »Ja, so war es. Die Fakten treffen so zu, wie sie soeben aufgezählt worden sind. Das Motiv allerdings war nicht so, wie es beschrieben wurde. Nur ein terranisches Gehirn konnte auf ein solches Motiv kommen. Sie projizieren ihre eigenen Fehler auf uns.« Er hob einen Arm und deutete anklagend auf die Terraner. »Calazar, Sie kennen die Geschichte ihres Planeten. All die Gewalt und die Blutdürstigkeit, die Mi-
nerva zerstört haben, sind auf der Erde von heute noch erhalten. Ich brauche Ihnen ihre endlose Geschichte von Streitigkeiten, Kriegen, Revolutionen und Morden hier nicht zu wiederholen. Ich darf hier darauf hinweisen, daß sie trotz unserer Bemühungen, sie einzuschränken, so aussieht! Ja, wir haben Agenten eingeschleust, um sie von den Naturwissenschaften und der Vernunft abzulenken. Können Sie uns das verdenken? Können Sie sich die Katastrophen vorstellen, welche Bedrohung das nicht nur für uns, sondern auch für Sie dargestellt hätte?« Er sah noch einmal zu den Terranern hinüber und runzelte angewidert die Stirn. »Das sind Wilde. Wahnsinnige! Sie werden es immer bleiben. Wir haben ihren Planeten aus dem gleichen Grund rückständig gehalten, aus dem heraus wir Kindern kein Feuer in die Hand geben – wir wollten sie ebenso wie uns schützen – und Sie auch. Wir würden das auch wieder tun.
Ich habe Ihnen keine Entschuldigungen anzubieten.«
»Ihre Taten strafen Ihre Worte Lügen«, gab Fremua Showm zurück. »Wenn Sie wirklich glauben würden, sie hätten einem kriegerischen Planeten den Frieden gebracht, dann wären Sie auf diese Leistung stolz gewesen. Sie hätten diese Tatsache nicht verborgen, aber Sie haben das Gegenteil getan. Sie haben uns ein verfälschtes Bild von der Erde geliefert, das sie als kriegerisch darstellte, während sie sich in Wirklichkeit genau in der Richtung entwickelte, die Sie nach Ihren Worten für wünschenswert hielten. Sie haben ihren Fortschritt so lange erfolgreich verzögert, bis ihr Erbe von Minerva so verwässert war, daß daraus ver-nunftgesteuerter Fortschritt wurde. Sie aber haben diese Tatsache nicht nur verborgen, sondern auch noch ein verzerrtes Bild geliefert. Wie wollen Sie das erklären?«
»Eine zeitlich beschränkte Abweichung von der Regel«, antwortete Broghuilio. »Unter der Oberfläche hat sich nichts verändert. Wir haben nur die jüngsten Entwicklungen verändert, damit Sie davon nicht getäuscht wurden.
Das Problem verlangte noch immer eine endgültige Lösung.«
Heller dachte schnell nach, während sie zuhörte. Mit der
›endgültigen Lösung‹ konnte nur gemeint sein,
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