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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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Verwantwortung ziehen könnte. Und außerdem gibt es ihn ja gar nicht in einer Welt, deren Ideal das zwecklose Spiel ist …«
    »Ist nicht das Leben selbst ein vereitelter Lebensanspruch?« fragte der Sohn, ohne einen Muskel seines Gesichts zu bewegen. Diese Frage ist ein Wechselbalg Satans, dachte ich, obwohl irgend etwas daran richtig ist. König Saul war von der Klingenführung seines gehaßten Lieblings so begeistert, daß er durch ein langes Gelächter die Diskussion zerstörte.
    »Werden Sie mit ihm fertig, Doktus, mit diesem kalten, vertrackten, abgebrühten Goldköpfchen! Er leidet, obwohl er es gar nicht muß, haha, er leidet aus purer Zudringlichkeit. Die anderen hören sofort auf zu leiden, wenn der Schmerz eine Pause macht, er aber leidet weiter …«
    »Die Dschungel sind und bleiben daher die Stützpunkte der Erneuerung«, resümierte Io-Joel trocken und unberührt vom Lachen seines Vaters. »Sollten Sie Ihren Besuch ausdehnen, Doktus und Seigneur, werden Sie vielleicht selbst noch Zeuge dessen sein.«
    »Keine Angst«, murmelte Minjonman, der wieder ernst geworden war, »er verspricht es täglich, das Goldköpfchen …«
    Plötzlich aber stockte er und sank im dem Lehnstuhl zusammen, und sein Gesicht schien einzuschrumpfen, als er mit prophetischer Düsterkeit zu mir sagte:
    »Es verspricht’s nur, aber die andern werden es erfüllen.«

Dreizehntes Kapitel
    Worin die große astrale Episode im Djebel beginnt, die mich vorerst in die unterste Knabenschulklasse der Chronosophen und mit dieser in den interplanetaren Weltraum führt.
    Dies hier ist nicht nur eine Reisebeschreibung. Wenn ich’s einen Reiseroman nenne, so verfälsche ich die Wahrheit nicht, um etwa den Leser bei der Stange zu halten. Während die Reisebeschreibung ein einfacher Kreis ist, so ist der Reiseroman eine Ellipse mit zwei Brennpunkten. Der zweite Brennpunkt ist das Ich des Reisenden, das nicht nur die Dinge und Ereignisse passiv hinnimmt, sondern oft, ohne es zu wollen, in die fremdartigsten Abenteuer hineingezogen und dann und wann sogar zum schaudernden Urheber kaum lösbarer Verwicklungen wird. Doch immer wieder will und muß ich es sagen, nicht um spannender Abenteuer willen unternimmt der Reiseschriftsteller seine Arbeit, nicht um Charaktere aufzubauen und zu zergliedern, sondern einzig und allein, um seine Leser mit einer unbekannten Welt bekanntzumachen, hier mit einem völlig weißen Fleck auf der Landkarte der fernsten Zukunft.
    Da ich dieses mein Prinzip stets im Auge behalte und jetzt zu einem ausnehmend wichtigen Kapitel komme, dessen Stoff sich hoch über alles »Romanhafte« und auch »Menschlich-Interessante« erhebt, so nehme ich mir die Freiheit, die nächsten Ereignisse nur im Fluge zu berühren.
    Meine Hausgenossen hatten mich vermißt. B. H. war ziemlich unruhig geworden, denn die Möglichkeit einer plötzlichen Regression meinerseits ins Unsichtbare schien ihm keineswegs ausgeschlossen. Wir hatten uns beide seit gestern sehr aneinander attachiert, er an mich ebenso wie ich an ihn. Da B. H. wußte, daß der Arbeiter mein erster Programmpunkt dieses Tages war, suchte man mich im Park bei den jungen Müttern und Babies und später im Tal der Quellen und Kräfte. Da der Freitanz und das Picknick der Bräute schon zu Ende waren, brauchte es einige Zeit, bis man meine Spuren entdeckte, die ins Haus des Großbischofs führten. Von dort aber verloren sie sich.
    Inzwischen saß ich aber noch immer in König Sauls sonderbar vollgepfropftem Antiquitätenzimmer und hörte dem gereizten Disput zu, der ihn mit seinem Sohn Joel-Hainz entzweite und verband. Joel-Hainz führte seinen Kampf wie von Anfang an indirekt, indem er seine polemischen Antworten nicht an seinen Vater, den Juden dieses Zeitalters, sondern an mich richtete. Es erschien mir merkwürdig, daß beide, Minjonman und sein Sohn, davon überzeugt waren, daß die mentale Welt »verändert« werden müsse. Die Gründe des Vaters waren orthodoxer Natur, wenn auch ziemlich verschieden, ja gegensätzlich zu denen des Großbischofs. Er erklärte zum Beispiel die großbischöfliche Lehre vom Sündenfall als eine geschraubte Interpretation des Bibeltextes, die zugleich eine groteske Überschätzung des Menschen und eine blasphemische Unterschätzung Gottes bedeute.
    »Jene sind so begabt für die Welt«, seufzte Minjonman, »und so unbegabt für Gott. Hätten sie die Sache mit Gott uns allein überlassen, wäre ihnen wohler.«
    Im Gegensatz aber zu diesem

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