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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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Planeten gab keine Antwort. Das Wort hieß natürlich ebensowenig »Exzellenz« wie es vorher »Professor« geheißen hatte. Es ist nichts als eine schlechte Übersetzung.
    Nun ertönte die heisere Rednerstimme des Fremdenführers dieses Zeitalters:
    »Euer Exzellenz: Seigneur, aus den Anfängen der Menschheit, ist eingetroffen, um für seinen Preisspruch in der größten Streitfrage aller Zeiten das Ehrenzeichen aus den Händen von Euer Exzellenz zu empfangen.«
    Die Augen des Geoarchonten sahen mich unverwandt an, und als sprächen sie allein, und nicht die sanfte, etwas zu hohe Stimme, hörte ich:
    »Die Fremde, die in die Heimat kommt, macht sich selbst nicht heimisch, die Heimat aber fremd.«
    Dies war ein hübsches Tagesorakel, wie es verfassungsmäßig jeden Abend in den »Abendsternen« veröffentlicht werden mußte. Es war so ziemlich im Stil der antiken Dunkelsprüche abgefaßt, doch recht leichthin und trocken gesprochen worden, so etwa wie ein königlicher Richter mit murmelnder Routine sprechen würde: »Ich eröffne hiemit die Verhandlung im Namen Seiner Majestät, des Königs.« Noch ahnte ich nicht, daß es sich um keine leere Zeremonie handelte, sondern um eine Weissagung, welche über mich erging, und deren Richtigkeit ich an mir selbst erfahren sollte. Der Namenlose hatte ein Zeichen gemacht. Daraufhin leierte der Kahlkopf zur Linken ein Doppelverschen herunter:
     
    »Der Schläfer verläßt sein Empyreum.
    Feinfühliger Zeuge, drehe dich um.«
     
    Ich sah, daß alle sich umdrehten. Da ich etwas verwirrt war, mußte mir B. H. einen Schubs geben, damit ich dasselbe tue. Es gehörte nicht zur guten Sitte, hinzuschauen, wenn eine würdige oder gar bedeutende Persönlichkeit sich von ihrem Lager erhob. Der Übergang von einer körperlichen Haltung in die andre galt, außer im Falle frischester und unbedenklicher Jugend, für unschön und beschämend. Jetzt leierte der Kahlkopf zur Linken ein. zweites Doppelverschen, das uns Seiner Exzellenz wieder zukehrte; ich müßte mir aber dieses Verschen, das ich vergessen habe, aus den Fingern saugen, und das will ich gerade in dieser Erzählung am strengsten vermeiden.
    Obwohl ich mich nach letzterem Doppelverschen wieder umgedreht hatte, hielt ich meinen Blick noch immer niedergeschlagen, um des hohen Seleniazusen tiefe Geniertheit und sein beklommenes Rührmichnichtan, von dem die Luft fühlbar zitterte, nicht zu verletzen. Als ich den Blick nun hob, sahen mich die wundertraurigen Augen noch gespannter und unverwandter an, denn die trotz ihrer Behäbigkeit zierliche Gestalt in violetter Schleierraffung hatte sich mir genähert. Ich wußte jetzt, daß mein Blick dem seinen standhalten mußte. Es war nicht leicht. Nach und nach aber fühlte und wußte ich, daß die überfüllten Wunderaugen zu mir sprachen. Dies ist nicht nur die übliche Romanphrase, die Augen des Erdoberhauptes sprachen wirklich zu mir in der Augen- und Gedankensprache. Da die Monolingua jedermann verstand, die stumme Augen- und Gedankensprache aber nur der jeweils Angesprochene, so schien sie im Laufe der Zeiten zur einzigen Möglichkeit ausgebildet worden zu sein, einander diskrete Mitteilungen zu machen und Geheimnisse anzuvertrauen. Nach einigen nervösen und angestrengten Augenblicken verstand also auch ich, Urtölpel, oder glaubte zu verstehen, was der Major Domus Mundi mir anzuvertrauen hatte. Es war ziemlich peinlich für mich und hieß, in artikulierte Sprache übertragen, ungefähr wie folgt:
    »Warum sind Sie hergekommen, Seigneur? Es ist nicht nur ungesund für Sie, sondern auch für uns, was ich in der Antithese meines Tagesorakels bereits ausgedrückt habe. Der Mensch ist nur das Geschöpf seines Jahrhunderts und nichts andres als dies. Er gebe sich ganz und gar hin dem im Bestehen Fortschmelzenden, das er Gegenwart nennt. Wenn er als Historiker die Vergangenheit besucht im Moder-Raum der Dokumente und Grabschriften, dann ist es schon ein leichter Frevel, denn die Vergangenheit des Geschichtsgierigen kann niemals die echte Vergangenheit sein. Wenn er aber seine Nase in die Zukunft steckt, in den Moder-Raum der absoluten Leere, in welcher es keine Dokumente und nicht einmal Gräber gibt, dann ist es ein sehr großer Frevel, ja eine Sünde vor Gott, möge ihm auch Wahrtraum oder Tod dies und jenes Richtige zuflüstern …«
    Es war, wie man mir zugeben wird, in der Tat mehr als peinlich, was ich durch die Sprache dieser Traueraugen da immer deutlicher zu verstehen bekam. Es

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